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Die beiden AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen und Frauke Petry.

© REUTERS

Entwurf zum AfD-Programm: "Blüten wie etwa die Subventionierung Berlins verhindern"

Mindestlohn ja, Erbschaftsteuer nein: Der Entwurf zum AfD-Parteiprogramm bleibt widersprüchlich. Der Finanzausgleich soll zu Lasten Berlins geändert werden.

Jetzt missachtet die AfD-Führung beim in der Mache befindlichen Programm die satte Mehrheit von 3/4 der abstimmenden Mitglieder, die zurück wollten zur Sanktionierung der an einer Scheidung schuldigen Person. Auf die Glaubwürdigkeit der AfD-Führung sollte man besser nicht setzen, eher auf deren Opportunismus.

schreibt NutzerIn civis42

An Häme hatte es nicht gefehlt, als vor ein paar Tagen ein vorläufiger Entwurf des ersten AfD-Parteiprogramms durchsickerte. Ganze drei Jahre brauchte die „Alternative für Deutschland“, um überhaupt ein Programm auf die Beine zu stellen – und dann standen in dem Entwurf jede Menge Absurditäten drin. Zum Beispiel, dass bei Ehescheidungen das Schuldprinzip wieder eingeführt werden solle, das bis in die 70er Jahre hinein galt. Bei einer Basisbefragung hatten drei Viertel der AfD-Mitglieder für diesen Punkt votiert. Im einem am Wochenende erarbeiteten neuen 80-seitigen Entwurf des Bundesvorstands ist er allerdings nicht mehr enthalten. Was vielleicht auch daran liegt, dass Parteichefin Frauke Petry selbst vor knapp einem Jahr ihren Mann verließ und seitdem mit dem Parteifunktionär Marcus Pretzell zusammenlebt.

Mit Spannung erwartet worden war der Programmentwurf nicht nur wegen seiner Ausführungen zur Gesellschaftspolitik. Beobachter erhoffen sich von ihm endlich eine Antwort darauf, wo die Partei überhaupt steht, vor allem in Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Bisher ist die AfD in dieser Hinsicht ein einziger großer Widerspruch. Entstanden als neoliberale Professorenpartei, wird sie inzwischen weit überdurchschnittlich von Arbeitslosen, Arbeitern und Angehörigen der unteren Mittelschicht gewählt. „Das sollte eigentlich nicht so sein“, wurde der baden-württembergische Spitzenkandidat Jörg Meuthen am Wochenende vom „Spiegel“ mit Blick auf die eigene Wählerschaft zitiert.

Der Klimawandel wird bestritten

Sieht die AfD sich nun als Verfechterin des freien Marktes oder wird sie zu einer Art Linkspartei von rechts, die auf staatliche Umverteilung zugunsten der sozial Schwachen setzt? Auch der Programmentwurf bleibt in dieser Hinsicht widersprüchlich – und mitunter erstaunlich sprachlos. Am klarsten ist die Position noch zum Mindestlohn. Den möchte die AfD behalten. Für den VWL-Professor Meuthen, der formal auch Ko-Parteichef ist, dürfte das ein Graus sein. Bisher hatte er sich immer gegen den Mindestlohn ausgesprochen, ganz im Gegensatz zu Parteivize Alexander Gauland, der die AfD als „Partei der kleinen Leute“ etablieren möchte.

An anderer Stelle trägt der Entwurf schon eher Meuthens wirtschaftsliberale Handschrift. „Staatliche Eingriffe sind auf das notwendige Minimum zu begrenzen“, heißt es im Kapitel „Wirtschaft, digitale Welt und Verbraucherschutz“. Den bisher progressiven Steuertarif will die AfD durch ein Stufenmodell ersetzen – Ähnliches hatte früher einmal die FDP vorgeschlagen. Gewerbe-, Vermögens- und Erbschaftsteuer sowie die Mietpreisbremse sollen abgeschafft werden. Den Länderfinanzausgleich will die Partei reformieren. Zur Begründung führt sie die Empfängerrolle der Hauptstadt an, wo die Landes-AfD bei der Wahl im September ein zweistelliges Ergebnis einfahren will: „Der Länderfinanzausgleich muss überarbeitet werden, um Blüten wie etwa die Subventionierung Berlins mit derzeit 3,5 Milliarden Euro jährlich verhindern zu können.“

Im Kapitel Energiepolitik wird der Klimawandel grundsätzlich infrage gestellt. Die Klimaschutzpolitik beruhe auf untauglichen Modellen des Weltklimarats. Dieser und die deutsche Regierung würden die „positive Wirkung“ von Kohlenstoffdioxid (CO2) „auf Pflanzenwachstum und Welternährung“ unterschlagen. „Die Wahrnehmung von CO2 nur als Schadstoff werden wir beenden“, verspricht die AfD. Den Ausbau erneuerbarer Energien will sie stoppen, der Ausstieg aus der Kernkraft sei schädlich.

Über das Programm muss ein Parteitag Ende April befinden

In Bezug auf Migration und Integration will die AfD dem Entwurf zufolge die doppelte Staatsbürgerschaft generell abschaffen. „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, heißt es dort. „Das Minarett lehnt die AfD als islamisches Herrschaftssymbol ebenso ab wie den Muezzinruf, nach dem es außer dem islamischen Allah keinen Gott gibt“. Ähnlich wie bereits die Berliner AfD fordert der Entwurf nicht nur, dass im öffentlichen Dienst kein Kopftuch getragen werden soll. Es soll auch ein Verbot für Schülerinnen in Schulen sowie ein generelles Burka-Verbot verhängt werden.

Zwar bekennt sich die AfD laut dem Entwurf „uneingeschränkt zu Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit“. In mancherlei Hinsicht soll diese aber nur für christliche, nicht für muslimische Gläubige gelten. Zum Beispiel sollen islamische Gemeinschaften nicht den Status als öffentlich-rechtliche Körperschaften erhalten dürfen, auch soll es keinen islamischen Religionsunterricht an Schulen geben dürfen.

Das letzte Wort ist mit dem Entwurf allerdings noch nicht gesprochen. Mehrere tausend Mitglieder werden Ende April bei einem Parteitag in Stuttgart über ihn befinden müssen. Wer die Streitlust in der AfD kennt, der kann davon ausgehen, dass das Programm am Ende um die ein oder andere Skurrilität reicher sein wird.

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