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Anhänger der "Alternative für Deutschland" (AfD) demonstrieren.

© Stefan Sauer/dpa

Justiz und Politik: Der Oberstaatsanwalt hat einen Hammer

Die Jagd nach Intensivtätern macht noch keinen AfD-Experten für Integration: Warum ein Berliner Strafverfolger ein zulässiges, aber schlechtes Beispiel abgibt. Ein Kommentar.

Roman Reusch ist ein Berliner Strafverfolger, der mehr will, als sein Amt ihm bietet. Reusch möchte bei der Brandenburger AfD eine wichtige Rolle spielen. Zugleich ist er befördert worden, zum Leitenden Oberstaatsanwalt. Auffällig wurde Reusch schon früher, mit Äußerungen, in denen er den harten Hund heraushängen ließ. Abschieben, ausweisen, abschrecken, das sind seine Rezepte im Kampf gegen Kriminelle. Wer so spricht, hat Fans. Damals bekam er einen Dämpfer von seinen Vorgesetzten. Heute hat er Rückendeckung.

Wer etwas über Kriminalität erfahren will, sollte besser keinen Staatsanwalt fragen. Viele fühlen sich umstellt vom Verbrechen. Verwaltungsrichter haben oft eine Meinung zu Asylfragen, die jeden Flüchtlingshelfer weinen lassen würde. Logisch, Asyl ist ihre Hauptlast. Mal Ärzte gefragt, wie sie von Patienten denken? Für Psychiater hat die Hälfte der Menschheit einen Seelenschaden. Journalisten wiederum glauben gerne, dass nur wichtig ist, was in den Medien steht.

Wer seinen Job macht, ist noch kein Experte für sein Gebiet. Im Gegenteil. Jeder läuft Gefahr, aus den eigenen Routinen eine Weltanschauung zu machen und die kleinen Stellschrauben, an denen er täglich dreht, für taugliche Instrumente zur Lösung komplexer Probleme zu halten. „To a man with a hammer, everything looks like a nail“. So präsentiert sich auch der AfD-Politiker Reusch. Er war jahrelang hinter Intensivtätern her. Daraus folgert er Einsichten für Migration und Integration, die er als Politiker kundtut.

Darf er das? Selbstverständlich. Nicht als Staatsanwalt, aber als Staatsbürger. Darf er AfD-Mitglied sein? Klar. Die Kanzlerin ist auch CDU-Mitglied und der Papst katholisch. Und die Beförderung? Sie deswegen zu verhindern, wäre illegal. Reusch weiß das alles, es macht ihn sicher. Er habe ohnehin etwas gegen Kriminelle, sagt er so, und wenn es dann noch Ausländer seien, die man sich „wegdenken“ könne ... ja, was dann?

Derart überhebliches Gerede jedenfalls verwischt die Grenzen, die es hier zu ziehen gilt. Der Bürger Reusch hat sein Amt vom Politiker zu trennen, der sich in den Meinungskampf begibt. Wer sein Amt benutzt, um seinen politischen Worten Gewicht zu verschaffen, verfehlt diese Trennung. Der Grünen-Rechtspolitiker Dirk Behrendt ließ sich dazu mit der putzigen Bemerkung vernehmen, man wolle ja, dass sich Beamte parteipolitisch betätigen könnten. Das mag ja so sein, wenngleich es vielleicht wichtiger wäre, dass sich mehr Nicht-Beamte politisch betätigten. Es kommt darauf aber gar nicht an. Nicht der formale Status entscheidet, sondern die Art und Weise, in der das Amt bei der politischen Betätigung erscheint. Für Leute wie Reusch, die einfache Formeln mögen, hieße das: Mäßigung. Sie böte im Übrigen die Chance, ernst genommen zu werden.

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