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Am Mittwoch ist das Schild weg, der Laden geschlossen.

© Fatina Keilani

Neukölln: Esoterik-Laden verbietet Roma den Zutritt

Ein Esoterikgeschäft in Neukölln verbietet Roma den Zugang. Jetzt wird wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt.

Von
  • Fatina Keilani
  • Matthias Meisner

Eine Ladenbesitzerin in Neukölln hat ein Hausverbot für Roma ausgesprochen und einen entsprechenden Aushang in ihrem Fenster platziert. Mittlerweile läuft gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung, wie Polizeisprecher Michael Gassen bestätigte. Das Schild musste sie auf Weisung der Polizei abhängen. Darauf stand unter anderem, es handele sich bei den Roma um eine "auf Raub und Betrug spezialisierte Bevölkerungsgruppe". Dazu zeichnete sie ein rotes Verbotsschild, das Wort "Roma" durchgestrichen. Wegen dieses Vorgehens wird die Frau seitdem kritisiert – und fühlt sich zu Unrecht verfolgt.

Ein Besuch. Die Emser Straße liegt in strömendem Regen, die Jalousie des Esoterik-Ladens "Regenbogenlicht" ist heruntergelassen. Die Inhaberin schlafe manchmal gern länger, sagt eine Frau aus der Nachbarschaft. „Sie ist eigentlich ganz nett und sicher keine Rassistin. Mit dem Aushang ist sie aber definitiv zu weit gegangen.“

Ans Telefon geht Ladenbesitzerin Ingrid S. aber schon: "Wegen der permanenten Diebstähle wird der Laden erstmal geschlossen bleiben", sagte sie dem Tagesspiegel. "Ich habe mit Rassismus wirklich nichts am Hut", betont sie und fragte: "Wie soll ich mich denn wehren?" Sie habe keine Lust, jetzt durch den Dreck gezogen zu werden. Sie habe lediglich ihr Hausrecht ausgeübt – was sie laut Polizei auch darf. Nur vielleicht nicht auf diese Art und Weise.

"Sie nutzen falsche Schwangerschaftsbäuche, um Diebesgut hineinzustopfen"

Schräg gegenüber, in der Emser Straße 92, liegt tatsächlich ein von zahlreichen Roma bewohntes Haus. Am Mittwochvormittag standen dort Türen und Fenster offen, es herrschte Kommen und Gehen, wobei besonders die Roma-Frauen das Straßenbild prägen.

Ingrid S. sagt: "Sie kommen und wollen etwas kaufen, sie bezahlen immer mit einem großen Geldschein, ich gebe das Wechselgeld raus - und am Ende fehlt das ganze Geld aus der Kasse, auch der große Schein, mit dem bezahlt wurde." Die Frauen sähen schwanger aus, seien es aber nicht - sie nutzten die Bauch-Attrappen, um das Diebesgut hineinzustopfen. Die Polizei wollte sich zu dieser Beschreibung zunächst nicht äußern.

In den umliegenden Geschäften wird die Darstellung von Ingrid S. zum Teil bestätigt. "Man muss sich schon sehr dagegen wehren, beklaut zu werden", sagt eine Nachbarin, die ebenfalls einen Laden hat und das Phänomen kennt, billige Kleinigkeiten mit großen Scheinen zu bezahlen. Auch Ingrid S. ist ihr bekannt. Ein Cafébesitzer will sich zu dem Thema nicht äußern. "Die Roma sind auf jeden Fall da, das stimmt." Mehr sagt er nicht.

Auch im Café einige Türen weiter möchte niemand etwas dazu sagen. Ingrid S. beklagt, sie habe mehrfach die Polizei gebeten, die Straße häufiger zu bestreifen. Auch in den umliegenden Geschäften werde massiv geklaut. Die Polizei aber habe nicht geholfen. „Eine Anzeige wegen Ladendiebstahls hat Frau S. anscheinend nicht erstattet, jedenfalls liegt uns bisher keine vor“, sagt Polizeisprecher Michael Gassen dazu. Ob die Zahl der Diebstähle gestiegen ist, seit die Roma in der Straße wohnen, ist ebenfalls nicht belegt.

Volker Beck prangert das Vorgehen als ausgrenzend an

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck prangerte das Vorgehen der Ladenbesitzerin in einem Brief an die Chefin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, an. "Solche Ausgrenzung aus rassistischen Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft ist inakzeptabel." Er forderte von Lüders eine Prüfung, ob hier ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliege. Aus Sicht des Grünen-Politikers müssten möglicherweise auch die Gewerbeaufsicht oder auch andere Stellen eingreifen.

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Beck verwies in seinem dem Tagesspiegel vorliegenden Brief an Lüders darauf, dass Romeo Franz, Geschäftsführer der Hildegard-Lagrenne-Stiftung, die Ladeninhaberin bereits zur Rede gestellt haben soll. "Trotz dieser Ansprache soll sich die Inhaberin weiterhin weigern, das Schild abzuhängen." Die Hildegard-Lagrenne-Stiftung setzt sich für Inklusion und Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland ein. Das Aktionsbündnis "Romaday" schrieb auf Twitter: Diebstahl ist ein Vergehen. Pauschale Verurteilungen und Ladenverbote sind menschenverachtend."

Antidiskrimierungsbeauftragte: Menschen werden pauschal ausgeschlossen

Die Antidiskriminierungsbeauftragte Lüders sagte auf Tagesspiegel-Anfrage: "Leider erleben wir immer wieder, dass Diskotheken, Fitnessstudios oder wie in diesem Fall Geschäfte Menschen pauschal ausschließen. Wer das tut, grenzt aus und verstößt gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Betroffene, die vor Gericht gegen Diskriminierungen vorgehen, haben Anspruch auf Schadensersatz."

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