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Niederländischer Pegida-Aktivist Edwin Wagensveld, Ex-Frontfrau Tatjana Festerling

© Facebook-Seite von Tatjana Festerling

Update

Jagd auf Flüchtlinge in Bulgarien: Ausreiseverbot für niederländischen Pegida-Anführer?

Der niederländische Pegida-Anführer Edwin Wagensveld jagte mit Tatjana Festerling Flüchtlinge in Bulgarien. War das strafbar? Die Sozialdemokraten im Parlament vermuten das.

Von Matthias Meisner

Tatjana Festerling kann es nicht fassen. Die ehemalige Pegida-Frontfrau war gemeinsam mit ihrem niederländischen Mitstreiter Edwin Wagensveld Ende Juni in den bulgarischen Wäldern unterwegs, um dort gemeinsam mit paramilitärischen Bürgerwehren Jagd auf Flüchtlinge zu machen. Jetzt gibt es zu der Exkursion kritische Fragen im niederländischen Parlament. Festerling schäumt: Der Welt werde ein "großes Comedy-Stück" geliefert, erklärt sie auf ihrer Facebook-Seite. "Ganz Westeuropa ist eine einzige Freiluft-Psychiatrie."

Festerling reagierte auf eine parlamentarische Anfrage der niederländischen Partij van de Arbeit (PvdA), sozialdemokratischer Juniorpartner in der großen Koalition. Die Abgeordnete Attje Kuiken hatte gemeinsam mit zwei Parlamentskollegen sieben Fragen an das Innen- und das Justizministerium formuliert. Dabei gingen die PvdA-Politiker besonders auf die Rolle von Wagensveld ein, der auf Fotos ebenso wie Festerling in Tarnkleidung und gemeinsam mit teilweise vermummten bulgarischen Bürgerwehr-Aktivisten posiert hatte. Er ist Anführer von Pegida in den Niederlanden.

Aus dem Fragenkatalog: Ist es zu akzeptieren, dass sich niederländische Privatleute an der Überwachung der Außengrenze der Europäischen Union beteiligen, was tut die Regierung dagegen? Was weiß sie über die Aktivitäten von Wagensveld? Droht ihm eine Strafverfolgung in den Niederlanden, wegen welcher Verbrechen? Ist die bulgarische Bürgerwehr eine kriminelle Privatarmee? Können die Aktivitäten von rechtsextremen Niederländern zu einer Spaltung der Gesellschaft führen, was unternehmen die Regierung?

Schließlich machen Kuiken und ihre Fraktionskollegen in Anspielung auf Wagensveld den Vorschlag, in den Niederlanden die rechtlichen Möglichkeiten für ein Ausreiseverbot gegen "rechtsextreme Grenzwächter" zu prüfen. "Wäre dies wünschenswert und warum? Und wenn nein, warum nicht?", fragen sie. Eine Antwort der niederländischen Regierung gibt es zu bisher nicht.

Die Ex-Frontfrau von Pegida beteuert unter Hinweis auf die Parlamentsanfrage, sie und Wagensveld hätten sich lediglich über die "Arbeit, die Erfahrungen und Eindrücke der freiwilligen, zivilen Grenz-Patrouillen" informieren wollen, dies "direkt am großen Eingangstor für islamische Invasoren aus der Türkei". Videos im Internet dokumentieren aber, dass die Bürgerwehr-Männer zumindest teilweise bewaffnet sind und Schießübungen durchführen.

Der niederländische Pegida-Anführer Wagensveld ist nach der Spaltung in der Dresdner Pegida-Führung der wichtigste Mitstreiter von Festerling. Die Auseinandersetzungen mit Pegida-Chef Lutz Bachmann, an deren Ende der Rauswurf von Festerling aus der Führung stand, hatte er mit angefacht. Als "Ed, der Holländer" sprach er schon mehrfach bei Pegida. Ebenso wie Festerling hielt er auch am Montag bei der Kundgebung des Leipziger Pegida-Ablegers Legida eine Rede.

Festerling hatte dort den Einsatz bulgarischer Bürgerwehren gegen Flüchtlinge als "letzten verbliebenen Kampf um die Freiheit" bezeichnet. Die Ex-Pegida-Frontfrau rief Männer, mit "militärischer oder polizeilicher Ausbildung" dazu auf, sich auf den Weg ans Schwarze Meer zu machen und die Bürgerwehren dort - sie sprach von "europäischen Verbündeten" - zu unterstützen. Berichte und Fotos von ihrer Bulgarien-Reise hatte Festerling auch auf Facebook gepostet.

In Sachsen bisher keine Ermittlungen

Strafanzeigen wegen der Festerling-Rede sind bisher bei der Staatsanwaltschaft Leipzig nicht eingegangen, wie Behördensprecherin Jana Friedrich auf Anfrage mitteilte. Auch von Amts wegen sei kein Ermittlungsverfahren wegen der Aussagen eingeleitet worden.

Der Leipziger Polizeisprecher Andreas Loepki sagte dem Tagesspiegel: "Die Aufforderung mag moralisch bedenklich sein, aber strafrechtlich relevant ist sie nach hiesiger Auffassung – Polizei und Staatsanwaltschaft – nicht, weshalb auch nicht von Amts wegen ermittelt wird." Loepki fügte hinzu: "Wenn Dritte der Meinung sind, hier eine Anzeige – wegen welcher vermeintlichen Straftat auch immer – erstatten zu wollen, so steht ihnen dieser Weg selbstverständlich frei."

Bürgerwehren mit Verbindungen zur organisierten Kriminalität

Bürgerwehren, die gegen Flüchtlinge vorgehen, sind in Bulgarien bereits seit einigen Monaten aktiv. Mathias Fiedler vom Verein Bordermonitoring.eu berichtete am Mittwoch dem Tagesspiegel, sie seien bei ihrem Entstehen von vielen bulgarischen Medien gefeiert worden und hätten breiten Zuspruch aus der bulgarischen Bevölkerung bekommen. Auch die bulgarische Regierung habe zunächst sehr wohlwollend reagiert. Bordermonitoring.eu kombiniert wissenschaftliche Forschung, bürgerschaftliches Engagement, kritische Öffentlichkeitsarbeit und konkrete Unterstützung für Flüchtlinge und Migranten.

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Fiedler, Bulgarien-Experte des Vereins, kritisierte die Zusammenarbeit des bulgarischen Staates mit den Bürgerwehren "auf das Schärfste". Er sagte: "Einige der bulgarischen Freiwilligengruppen halten Verbindungen zu kriminellen Organisationen oder sind selbst ein Teil davon. Da viele Flüchtende gar nicht im armen Bulgarien bleiben wollten, sähen sich viele Mitglieder der Gruppen als Europas Torwächter.

"In ihrem Verhalten und Vorgehen sind die Gruppen zwar nicht einheitlich, dennoch eint der nationalistische und rechtsradikale Gedanke nahezu alle", sagte Fiedler. Die Gruppen übten direkte körperliche Gewalt aus, die Bedrohung, starke körperliche Verletzungen und manchmal sogar Push-Backs in die Türkei zur Folge hätten. Andere übergäben die Flüchtenden direkt an die Grenzpolizei, häufig nachdem sie diese in Videos bloßgestellt hätten.

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