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Hooligans und Neonazis nehmen im Oktober in Dortmund an einer Demonstration teil.

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Exklusiv

Rechtsextremismus: Zahl der versuchten Tötungsdelikte durch Neonazis steigt stark

So brutal wie lange nicht mehr haben Neonazis 2016 zugeschlagen. Bis Anfang Oktober gab es bereits elf versuchte Tötungsdelikte, vier mehr als im gesamten Vorjahr.

Von Frank Jansen

Neonazis und andere Rassisten schlagen nach Informationen des Tagesspiegels in diesem Jahr so brutal zu wie lange nicht mehr. Die Polizei hat bundesweit bis Anfang Oktober bereits elf versuchte Tötungsdelikte registriert. 2015 waren es sieben, 2014 nur ein Delikt. Das geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf schriftliche Fragen der Linken-Abgeordneten Martina Renner hervor. Das Papier liegt dem Tagesspiegel vor.

In der Liste sind für 2016 vier versuchte Morde und sieben versuchte Totschlagsdelikte aufgeführt. Genannt werden zudem Tatzeit und Tatort. Jeweils drei Delikte wurden in Bayern und Sachsen verübt, zwei in Sachsen-Anhalt und je eines in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und dem Saarland. Weitere Details gibt es nicht. Dennoch lassen sich die Angaben öffentlich bekannten Verbrechen zuordnen. Mehrere Attacken richteten sich gegen Flüchtlinge und andere Migranten.

Die Liste beginnt mit einem Angriff in Nürnberg. Am Neujahrstag schlug ein Mann in einem U-Bahnhof einen Griechen, den er für einen Juden hielt, und stieß ihn ins Gleisbett. Das Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilte den Täter wegen versuchten Totschlags zu fünf Jahren Haft. Als versuchte Morde wertet die Polizei zwei weitere Taten in Bayern. Im Februar warf in Hirschau ein Mann eine Brandflasche in ein Flüchtlingsheim, im selben Monat attackierte in Kelheim ein Mann mit einer Machete einen Flüchtling. Einen Brandanschlag auf eine Unterkunft von Flüchtlingen im Juni im sächsischen Zwickau stuft die Polizei ebenfalls als versuchten Mord ein. Das gilt auch für einen Brandanschlag vom September auf ein Flüchtlingsheim in Wilnsdorf (Nordrhein-Westfalen).

Als versuchter Totschlag werden hingegen die Schüsse eines „Reichsbürgers“ im August auf Polizisten in Elsteraue (Sachsen-Anhalt) gewertet. Die Liste endet mit einem ungewöhnlichen Fall. Am 3. Oktober prügelten im brandenburgischen Wittstock drei Rechtsextremisten einen weiteren Mann aus der Szene und verletzten ihn schwer. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin spricht von versuchtem Totschlag.

In der Liste erwähnt das Innenministerium auch die sieben versuchten rechten Tötungsdelikte aus dem Jahr 2015. Martina Renner kritisiert, dass zwei Fälle fehlen. Es handelt sich um die rassistischen Angriffe der sächsischen, mutmaßlich rechtsterroristischen "Gruppe Freital" und den Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Altena (Nordrhein-Westfalen). Im Fall Freital wirft selbst die Bundesanwaltschaft vier Beschuldigten auch versuchten Mord vor.

Nach dem Brandanschlag in Altena wurden die zwei Täter hingegen vom Landgericht Hagen nur wegen schwerer Brandstiftung verurteilt. Das Gericht hatte allerdings zuvor auch eine Verurteilung wegen versuchten Mordes erwogen. Renner hält nun dem Innenministerium vor, angesichts der Lücken in der Liste für 2015 stelle sich die Frage, ob dies auf ein Problem des Definitionssystems für politisch motivierte Kriminalität "oder eines der Ermittlungsbehörden hinweist".

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