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Schüler in einer Sekundarschule in Niedersachsen.

© Julian Stratenschulte/dpa

Wiarda will's wissen: Keine Angst vor der KMK-Reform

Die Kultusministerkonferenz will sich reformieren, bislang aber nicht so grundlegend wie nötig. Der Philologenverband weist die Richtung, meint unser Kolumnist.

Die Kultusministerkonferenz ist nicht so schlecht wie ihr Ruf: ein Satz, den man zuletzt sehr häufig hörte. Vor allem von Kultusministern. Und er stimmt ja auch: Die bildungspolitische Bilanz des Clubs ist in mancher Hinsicht erstaunlich gut, woraufhin zuletzt mitten in der hitzigen Debatte ums Zentralabitur die Vorsitzende des Philologenverbands hinwies. Das Abitur in Deutschland sei so vergleichbar wie nie zuvor, sagte Susanne Lin-Klitzing. Doch woran liegt es dann, dass der Ruf der KMK trotzdem so mies ist?

Auch hierauf glaubt er Philologenverband eine Antwort zu kennen: Lin-Klitzing mahnt dringend eine grundlegende Strukturreform des Gremiums an. Was nicht frei von Ironie ist, wenn man sich den Philologenverband selbst anschaut: 1903 gegründet, hat er gerade zum ersten Mal in seiner 116-jährigen Geschichte eine Frau an seiner Spitze. Es ist also ein Verein, der sich selbst mit – sagen wir mal – gemächlich evolutionär verlaufenden Entwicklungen auskennt.

Appelle an den "Mondays for Matura"

Doch Lin-Klitzing, seit Ende 2017 im Amt, hat sich offenbar vorgenommen, nicht nur ihrer eigenen Organisation, der Vertretung der Gymnasiallehrkräfte, eine Modernisierungskur zu verpassen. Auch den Kultusministern sitzt sie zurzeit jeden Montag mit einer neuen Forderung im Rücken, „Mondays für Matura“ hat Lin-Klitzing ihre wöchentlichen Pressemitteilungen getauft. „Um unserer Schülerinnen und Schüler willen: Wir brauchen eine Professionalisierung der Kultusministerkonferenz jetzt!“, verlangt sie, und diese Professionalisierung der KMK soll, wenn es nach dem Philologenverband geht, ganz oben anfangen.

Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.
Unser Kolumnist Jan-Martin Wiarda. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

© Privat

Anstatt dass jedes Jahr ein anderer Kultusminister oder eine andere Kultusministerin Präsident aller Kollegen sein darf und dann logischerweise mehr repräsentiert als steuert, sollte ein ehemaliger Minister den Job machen, findet Lin-Klitzing –  hauptamtlich und mindestens auf drei Jahre gewählt. Denn solange die Interessen des eigenen Landes mit vertreten werden müssten, könne ein KMK-Präsident „nicht hart genug um der Sache willen“ mit den anderen Ministern ringen. Und die Wahrnehmung der KMK, könnte man ergänzen, bleibt – oft zu Unrecht! – so lasch, wie sie ist.

Lin-Klitzings Forderung ist bemerkenswert, auch wenn sie nicht ganz neu ist. Natürlich haben auch die Kultusminister selbst schon über diese und ähnliche Ideen nachgedacht, um ihren Club schlagkräftiger zu machen. Eine Schlagkräftigkeit, die sich mit der Kultushoheit der Länder vereinbaren lässt.

Der Abitur-Aufgabenpool hat Potenzial

Die KMK selbst hat in einer Art Flucht nach vorn vor anderthalb Jahren einen neuen Staatsvertrag versprochen, um ihren Reformwillen öffentlich zu demonstrieren. Viele wichtige Schritte hin zu mehr länderübergreifenden Gemeinsamkeiten will sie hineinschreiben. Vor der Reform ihrer eigenen Struktur, ihrer Geschäftsordnung und des KMK-Sekretariats scheint die Mehrheit ihrer Mitglieder dagegen bislang zurückzuschrecken.

Das muss nicht so bleiben. Der Vorstoß von Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann, mit dem sie die wochenlange „Zentralabi-Debatte“ ausgelöst hatte, zeigt, dass da gerade etwas in Bewegung kommt. Dieser Bewegung müssen die KMK-Reformer nun die richtige Richtung geben. Indem sie weniger über wahrscheinlich nie zu erreichende vermeintliche Idealzustände beim Abitur räsonieren und mehr über das, was unter Bildungsföderalismus-Bedingungen möglich ist. Und das ist viel: Der zuletzt so heftig kritisierte Abitur-Aufgabenpool als Annäherung an mehr Vergleichbarkeit ist ein gutes Beispiel für dieses Potenzial. Doch er muss umfassend weiterentwickelt werden, um es auszuspielen, weit umfassender als bislang geplant.

Dafür braucht es mehr Konsequenz, als unter der aktuellem KMK-Struktur möglich ist, es braucht die Reform der Kultusministerkonferenz selbst. Und es braucht mehr Mahner und Tempomacherinnen. Zum Beispiel, siehe oben, einen hauptamtlichen Präsidenten an der Spitze. Der kraft seiner Autorität auf Augenhöhe mit den Kultusministern agieren kann, der sie an die gemeinsam vereinbarten Regeln erinnert und die Konferenz im Zweifel vor sich herschiebt. Der Ruf der KMK wäre endlich so gut, wie sie selbst dann ist.

KMK-Generalsekretär Udo Michallik hat Lin-Klitzings Vorstoß in einer ersten, sehr schnellen Reaktion als „weniger gute Idee“ bezeichnet. Mal sehen, ob die Kultusminister das auch so sehen. Im Herbst gehen die Verhandlungen um den Staatsvertrag in die entscheidende Phase.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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