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Sängerin Nena auf der Bühne.

© Swen Pförtner/dpa

Aufregung um Konzert in Schönefeld: Das zweifelhafte Freiheitsverständnis von Nena

Der Abbruch des Nena-Konzerts zeigt: Wenn alle bloß danach entscheiden, was sie gerade als richtig empfinden, schlägt Freiheit in Willkür um. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hannes Soltau

Der aufgestaute Frust von Künstlerinnen und Künstlern nach Monaten unzumutbarer Arbeitsbedingungen ist mehr als nachvollziehbar. Unschwer lässt sich erahnen, wie ernüchternd es sein muss, endlich wieder auftreten zu dürfen, doch von der Bühne dann lediglich auf Grünflächen mit versprengten Grüppchen von Zuschauern zu blicken.

Helge Schneider brach am Wochenende einen Auftritt ab. Auch Nenas Konzert am Berliner Flughafen wurde vorzeitig beendet. Und doch sind beide Fälle nicht vergleichbar.

Schneider entschied für sich und seine Band, dass er so nicht auftreten wolle. Nena aber forderte tausende von Fans auf, näher zusammenzurücken. „I don't fucking care! Ich hab die Schnauze voll!“, sagte sie im Bezug auf die Coronamaßnahmen. Ihr Hinweis, dass auch beim Christopher Street Day am Vortag zehntausende eng beieinander auf den Straßen Berlins unterwegs waren, ist vollkommen berechtigt.

Doch deutlicher konnte sie die Geringschätzung für Risikogruppen unter ihren Anhängern nicht ausdrücken. Verständlich, dass erboste Besucher das Konzert frühzeitig verließen. Wie gravierend der Vorfall für die zarten Hoffnungen der Veranstaltungsbranche ist, wird sich noch herausstellen.

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Das verkürzte Freiheitsverständnis

Darüber machte sich Nena sichtlich keine Gedanken. „Wir leben in einer echt krassen Zeit und es geht um die komplette Eigenverantwortung, die jeder für sich tragen muss“, führte sie aus. Ein Satz, der symptomatisch für das verkürzte Freiheitsverständnis des Querdenker-Lagers steht.

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Wenn Menschen ein Konzert vorzeitig beenden oder Risiken für sich eingehen wollen, dann ist das ihr gutes Recht. Das aber dort endet, wo sie mit ihrem Handeln andere Menschen gefährden. Freiheit bedeutet nämlich nicht, zu tun und zu lassen, was man will.

Freiheit ist vielmehr die Einsicht in die Notwendigkeit, wie Hegel einst sinngemäß schrieb. Und es kann durchaus notwendig sein, für das Wohlergehen und die Freiheit einer Gesellschaft, temporäre Einschränkungen hinzunehmen.

Keiner kann den Herausforderungen von Pandemie und Klimawandel durch „komplette Eigenverantwortung“ begegnen. Wenn alle bloß danach entscheiden, was sie gerade als richtig empfinden und sich dabei nichts von außen sagen lassen wollen, schlägt Freiheit in Willkür um.

Und dann verwirft man auch mal eben Wissenschaft, Logik und Moral. „Das Ganze wird hier politisiert und das ist vollkommen ätzend“, urteilte Nena am Sonntagabend. Die Zeit ist reif für ein bisschen Zärtlichkeit? Irgendwie, irgendwo, irgendwann. Aber anscheinend nicht heute.

Hinweis: Um Missverständnisse zu vermeiden, haben wir die Unterzeile präzisiert. "Wenn alle bloß danach entscheiden, was sie gerade als richtig empfinden, schlägt Freiheit in Willkür um."

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