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Im Schnitt wird Berlins Feuerwehr pro Jahr circa 7000-mal wegen Herz-Kreislauf-Stillständen alarmiert.

© imago images/Frank Sorge

Senat sieht Prag und Kopenhagen besser vorbereitet: Überlebensrate nach Herz-Kreislauf-Stillstand in Berlin niedriger als in anderen Städten

Um einen Herz-Kreislauf-Stillstand zu überleben, braucht es Reanimationen, Defibrillatoren und die Feuerwehr. Berlin schneidet schlechter ab als andere Städte.

Die Chance, einen Herz-Kreislauf-Stillstand selbst nach einem Notruf zu überleben, ist in Berlin geringer als in anderen Hauptstädten Europas. Das geht aus einer Antwort von Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) auf eine Anfrage des FDP-Innenexperten Björn Jotzo hervor, die dem Tagesspiegel vorab vorliegt.

Akmann schreibt von den „führenden europäischen Rettungsdienstsystemen“ in den Hauptstädten Dänemarks und Tschechiens, die durch „Verbreitung von öffentlich zugänglichen Defibrillatoren oder verpflichtende Ausbildung in der Reanimation an Schulen“ besser funktionierten als Berlin. Um wie viel besser die Zahlen in den anderen Städten sind, geht nicht aus dem Staatssekretärsschreiben hervor.

In der Fachwelt ist bekannt, dass die Überlebensraten in skandinavischen Städten zwischen 15 und 25 Prozent betragen, in Berlin sind es elf Prozent. Im Schnitt wird Berlins Feuerwehr pro Jahr circa 7000-mal wegen Herz-Kreislauf-Stillständen alarmiert.

Entscheidend für das Überleben sind die ersten Minuten nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand. Eine sofortige Herzdruckmassage – auch durch Laien – erhöht die Überlebenschancen massiv.

Trotzdem liegt die sogenannte Laienreanimationsquote in Berlin nur bei 38 Prozent, was dem Bundesdurchschnitt entspricht, wie aus Akmanns Schreiben hervorgeht. In Norwegen liegt die Laienreanimationsquote bei 70 Prozent.

FDP fordert mehr Ersthelfer-Kurse in den Schulen

Müssten in einem Ballungsraum, fragt Jotzo, Laienreanimationsquote und Überlebenschance nicht eigentlich besser sein als im Bundesdurchschnitt? In Berlin seien Wege jedenfalls kürzer als in Flächenländern. Der FDP-Abgeordnete fordert nun, mehr Ersthelfer auszubilden, am besten schon in den Schulen, für Ersthelfer-Apps zu werben und öffentliche Gebäude flächendeckend mit Defibrillatoren auszustatten.

Mit den auch „Schockgeber“ genannten Geräten soll durch Stromstöße die Herzaktivität wiederhergestellt werden.

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Schon 2013 berichtete das "Ärzteblatt", dass es Dänemarks Regierung gelungen sei, "die Zahl der kardiovaskulären Reanimationen durch Laien" deutlich zu erhöhen. "Seit 2005 gibt es schon in der Grundschule Erste-Hilfe-Kurse und Führerscheinbewerber müssen ihre Befähigung nachweisen." Zudem seien im ganzen Land 15.000 Defibrillatoren aufgestellt worden.

Dem Tagesspiegel berichten Berliner Ärzte, es mangele in der Stadt auch an Defibrillatoren, vor allem jedoch trauten sich die meisten Berliner keine Herzdruck-Massage zu. Dabei seien in der Hälfte der Herz-Kreislauf-Stillstände entweder Angehörige oder Passanten und Kollegen anwesend.

Von Herz-Kreislauf-Stillstand betroffene im Schnitt 69 Jahre

Auch wenn ein Betroffener reanimiert worden ist, braucht er ärztliche Hilfe. Die Feuerwehr aber käme durch Berlins volle Straßen schwer durch, berichten Sanitäter und Ärzte, man treffe also spät am Patienten ein. Wie berichtet gilt Berlins Feuerwehr als überlastet: Die Zahl der Notrufe steigt, die der tatsächlichen erfolgten Einsätze auch – während es zugleich an Personal fehlt.

Vergangenes Jahr rückte die Feuerwehr in Berlin zu fast 493.000 Einsätzen aus, das sind 1350 pro Tag und Rekord in der Geschichte der Stadt. Dazu gingen 2021 fast eine Million Notrufe unter der 112 ein. Im Schnitt mussten die Beschäftigten in der Leitstelle alle 29 Sekunden einen Anruf entgegennehmen.

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Dabei ging es überwiegend nicht um Brände, sondern um medizinische Gefahren, also Schlaganfälle, Vergiftungen, Schnittverletzungen. Zu oft, berichten Rettungsärzte, würde der Notruf auch wegen Petitessen gewählt.

Die Ursachen für einen Herz-Kreislauf-Stillstand sind vielfältig. Neben Infarkten können Flüssigkeitsmangel, Vergiftungen, Schock oder Lungenembolien die Ursache sein. In dem von Fachärzten erstellten Bundes-Reanimationsregister heißt es: Der durchschnittliche, reanimierte Patient sei ein 69-jähriger Mann, der Anteil der Plus-80-jährigen betrage schon fast ein Drittel.

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