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SPD-Ministerpräsident Stephan Weil im Niedersachsen-Wahlkampf: Muss aus SPD-Sicht gewinnen

© dpa / Moritz Frankenberg

Energiekrise dominiert vor Niedersachsen-Wahl : „So einen Wahlkampf habe ich noch nie erlebt“

Niedersachsens Ministerpräsident Weil appelliert an die Bundesregierung, die Staatshilfen noch auszuweiten. Und er fordert die Aussetzung der Schuldenbremse.

Eigentlich geht es nur um die künftige Zusammensetzung des Landtags und eine neue Landesregierung in einem Flächenland von acht Millionen Einwohnern. Doch die Wahl in Niedersachsen am 9. Oktober dürfte ein bundesweit beachteter Test werden, wie Bürgerinnen und Bürger auf die in ihrem Ausmaß noch gar nicht übersehbare Krise reagieren, welche die Inflation und die horrenden Energiepreise in der Folge des russischen Angriffskriegs auslösen.

Weit stärker als bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen im Mai, die ebenfalls im Schatten des Krieges standen, dominiert in Niedersachsen nun die Angst vor einem kalten Winter und ums eigene wirtschaftliche Überleben die öffentliche Debatte vor der Entscheidung in gut zwei Wochen.

Glaubt man den Wahlkämpfern zwischen Spiekeroog und Göttingen, treibt die sowohl einfache Bürger als auch Inhaber kleiner und mittelständischer Betriebe um. Von ihnen sehen sich viele in ihrer Existenz bedroht.

So einen Wahlkampf habe ich noch nie erlebt, um Landesthemen geht es eigentlich kaum

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil

Die Landespolitik spielt deshalb im niedersächsischen Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle. Auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der seit Februar 2013 regiert und eine dritte Amtszeit anstrebt, sagt: „So einen Wahlkampf habe ich noch nie erlebt, um Landesthemen geht es eigentlich kaum.“

Doch der SPD-Politiker, der seinen Koalitionspartner CDU nach dem 9. Oktober gern gegen die Grünen tauschen würde, hat sein Schicksal nur zum Teil in der Hand. Denn über Rettungsmaßnahmen gegen die hohen Preise entscheidet vor allem die Bundesregierung. Seit Wochen macht der Niedersachse deshalb Druck auf die Ampelkoalition in Berlin.

Weil kann immerhin darauf bauen, dass ihm in Umfragen deutlich mehr Menschen die Führung des Landes zutrauen als seinem Herausforderer, dem Vizeministerpräsidenten Bernd Althusmann von der CDU. Die Landes-SPD, deren Vorsitzender Weil ist, setzt ganz auf das Vertrauen der Niedersachsen in ihren Ministerpräsidenten, wirbt in Großplakaten mit dessen Konterfei und dem Satz „Verantwortung in schwierigen Zeiten“.

Auch aus Sicht der Bundes-SPD muss Weil unbedingt im Amt bleiben: Eine dritte Niederlage in diesem Jahr nach der in Kiel und Düsseldorf wäre ein verheerendes Signal für die Sozialdemokraten.

Althusmann will sich als Retter des Mittelstands profilieren

Althusmann dagegen erinnert in diesen Tagen auffällig häufig an die beiden Landtagswahlen an deren Ende ein Schwarz-Grünes Bündnis stand. Für den Wirtschaftsminister ein denkbares Vorbild auch für Niedersachsen und so umwirbt er die Partei: „Die Grünen sind eine eigenständige, nicht zu unterschätzende Partei“, sagte Althusmann dem Tagesspiegel. Er habe ebenfalls Ambitionen beim Ausbau der erneuerbaren Energien und zudem eine paritätisch besetzten CDU- Landesliste, wirbt Althusmann für Gemeinsamkeiten.

Im Kern versucht sich der leutselige Althusmann, der schon 1994 erstmals in den Landtag in Hannover einzog, als Retter des Mittelstands zu profilieren. Unternehmenshilfen wie zur Pandemie und einen preiswerten Industriestrom fordert der Spitzenkandidat.

Doch hier macht ihm Weil mit eigenen Vorstößen immer wieder Konkurrenz. Mit anderen Forderungen wie einem befristeten Weiterbetrieb der Atomkraft oder Gas-Bohrungen in der Nordsee steht er isolierter da – bringt aber den potenziellen Koalitionspartner gegen sich auf.

Grüne können mit Öl-Kraftwerken offenbar leichter leben als mit Atomkraftwerken

Denn bei den Grünen gilt Althusmann quasi als rotes Tuch. Der Landesverband gehört fast vollständig zum linken Parteiflügel. Besonders der Widerstand gegen die Atomkraft gehört hier zu Partei-DNA.

Auch mit Rücksicht auf die Niedersachsen-Wahl will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das Atomkraftwerk im Emsland wie geplant zum Jahreswechsel vom Netz nehmen. Dass dafür schwimmende Öl-Kraftwerke vor der Küste Niedersachsens festgemacht werden sollen, ist für die Grünen im Land offenbar leichter zu vermitteln als ein Streckbetrieb.

Die Grünen hoffen auf den dritten historischen Wahlerfolg in Folge und die zwölfte Regierungsbeteiligung in den Ländern – der Einfluss über den Bundesrat würde dadurch weiter steigen. Favorisiert wird ein Bündnis mit der SPD, wie schon in der ersten Amtszeit von Stephan Weil. Umso härter fallen die Attacken auf CDU und FDP aus.

Die FDP möchte die Bedeutung der Wahl in Niedersachsen für die Partei am liebsten jetzt schon herunterspielen. Für sie könnte es die dritte Niederlage bei einer Landtagswahl in diesem Jahr werden. Die Anhänger sind unzufrieden mit der Ampel-Koalition in Berlin. Möglich, dass die niedersächsischen Wählerinnen und Wähler die Partei das spüren lassen.

Wirtschaftsminister Habeck im Niedersachsen-Wahlkampf: Hoffen auf den dritten Wahlerfolg in Folge
Wirtschaftsminister Habeck im Niedersachsen-Wahlkampf: Hoffen auf den dritten Wahlerfolg in Folge

© dpa / Sina Schuldt

Die Liberalen setzen auf Kernkraft als Wahlkampfthema, die Debatte um die drei letzten Atomkraftwerke und die Energiekrise soll ihnen Aufschwung geben. Das Rennen öffne sich, sagte FDP-Chef Christian Lindner vor Kurzem in Berlin. Sie haben ein ambitioniertes Ziel: Spitzenkandidat Stefan Birkner möchte die FDP in ein Dreierbündnis und Regierungsverantwortung führen – trotz der großen Differenzen mit den Grünen.

Derzeit aber muss die Partei um den Wiedereinzug in den Landtag bangen: Laut der neuesten NDR-Umfrage zeichnet sich ein Rennen zwischen SPD und CDU ab. Demnach liegt die SPD bei 32 Prozent, die Union bei 28 Prozent der Stimmen.

Die Grünen verlieren leicht und kämen auf 17 Prozent. Die FDP aber muss um den Einzug in den niedersächsischen Landtag bangen: Knapp zwei Wochen vor der Wahl würden sich nur fünf Prozent für sie entscheiden.

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