
© Imago/Zuma Press/Ukrainian Presidency
Selenskyj verteidigt Pokrowsk-Strategie: „Niemand zwingt unsere Soldaten, für Ruinen zu sterben“
Die Armee Kiews kämpft weiter um eine Stadt, die verloren scheint. Der ukrainische Präsident sagt nun, dass die Entscheidung darüber beim Militär liege.
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Wolodymyr Selenskyj steht unter Druck: Da sind einerseits die massiven Korruptionsvorwürfe im Energie- und Rüstungssektor, die sich zwar nicht gegen ihn persönlich, aber sein Umfeld richten. Andererseits ist da die schwierige Lage an mehreren Stellen der Front im Verteidigungskampf gegen Russland – insbesondere in der stark zerstörten Industriestadt Pokrowsk im Osten.
Viele russische Angriffe und ein offenbar stark verengter Nachschubweg deuten – bei aller Unklarheit über die konkrete Situation – auf eine schwierige Lage für die Soldaten vor Ort hin – die personell ohnehin ausgedünnt sind. Auch seitens der ukrainischen Führung werden Schwierigkeiten eingeräumt, doch trotzdem wird kein Rückzug befohlen. Das finden manche Militärbeobachter und Soldaten falsch, auch weil die Truppen Kiews bereits zuvor um Orte kämpfen mussten, die schließlich doch an die Russen fielen. Opfert Selenskyj in Pokrowsk also sinnlos das Leben seiner Soldaten?
Selenskyj verteidigt sich
„Niemand zwingt sie, für Ruinen zu sterben“, sagte Selenskyj nun in einem Interview mit „Bloomberg“. Dem US-Magazin zufolge liege die Entscheidung über einen Rückzug aus Präsidentensicht bei den Kommandeuren. Selenskyj weiter: „Ich werde unsere Soldaten unterstützen, insbesondere die Kommandeure vor Ort, damit sie die Lage unter Kontrolle halten können. Sonst wird es für uns zu kostspielig – das Wichtigste für uns sind unsere Soldaten.“
Warum versucht Russland überhaupt, Pokrowsk so dringend zu erobern? Selenskyj nach gehe es dabei um US-Präsident Donald Trump. Russland wolle Trump mit einer Eroberung davon überzeugen, dass sich die Ukraine aus dem kompletten Donbass-Gebiet zurückziehen und damit ein Kriegsende ermöglichen soll. Da Russland allerdings weitere Bedingungen für ein Kriegsende gestellt hat – beispielsweise ist keine ausländische Schutztruppe erwünscht – dürfte sich ein Friedensplan selbst dann schwierig gestalten, wenn die Ukraine den Donbass abtritt.
Die Bedeutung von Pokrowsk
Pokrowsk gilt als Symbol für den Widerstand der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg. Das Land verlöre dann nach dreieinhalb Jahren Kampf ein weiteres großes Stück im Westen des Gebiets Donezk. Damit wäre auch die Nachbarstadt Myrnohrad nicht mehr zu halten. Eine Eroberung von Pokrowsk würde Russland taktische Vorteile beim weiteren Vormarsch bringen. Seine Funktion als Knotenpunkt für ukrainischen Nachschub an die Front hat die Stadt jedoch bereits zuvor verloren – und die ukrainische Armee hätte bei einer Aufgabe der Stadt die Chance, sich auf schon gebaute Verteidigungsstellungen weiter hinten zurückzuziehen.
Eigentlich sei die feindliche Armee auch „gar nicht besonders stark“, sagte Selenskyj in dem Interview weiter. Eben darum greife Russland derzeit massiv die Energieversorgung der Ukraine an. Die Logik: Wenn der Erfolg auf dem Schlachtfeld nicht groß genug ist, muss die Ukraine vor dem Frühling mit Stromausfällen und kalten Wohnungen zur Aufgabe gezwungen werden. (mit dpa)
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