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„Normalisierung ist vorangeschritten“: Beratungsstellen warnen vor starker Radikalisierung junger Neonazis an Schulen
Mobile Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus verzeichnen ein Rekordhoch bei Anfragen – hauptsächlich aus Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Neonazis seien mitunter erst zehn Jahre alt.
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Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus warnen vor einer starken Radikalisierung junger Menschen. Junge Neonazis – darunter auch schon Zehn- bis Zwölfjährige – bauten ihren Einfluss an Schulen aus. Sie würden immer selbstbewusster auftreten, sagte Romy Arnold vom Bundesverband Mobile Beratung am Dienstag in Berlin. In einigen Schulen drohe sogar schon eine rechte Hegemonie. Berater aus allen Bundesländern berichteten von teils gewaltbereiten Neonazi-Gruppen.
„Die extreme Rechte hat sich im Alltag verfestigt und die Normalisierung von Rechtsextremismus ist vorangeschritten“, warnte Arnold. Das liege unter anderem an den Wahlerfolgen der AfD, die dadurch mit weitaus mehr Personal und Ressourcen agieren könne.
Auch Vertreter der demokratischen Parteien hätten die Normalisierung aber selbst weiter vorangetrieben, indem sie Stimmen der AfD in Kauf nähmen, rechte Veranstaltungen besuchten oder demokratisches Engagement angriffen. „Die Brandmauer hat immer tiefere und immer größere Risse“, so Arnold.
Engagement statt Abwehrkämpfe
Staatliche Förderprogramme für zivilgesellschaftliche Demokratieprojekte stünden massiv unter Druck, sagte die Beraterin aus Thüringen. Kürzungen seien bereits angekündigt. Engagierte, die sich für demokratische Werte einsetzten, seien zum Teil nur noch mit Abwehrkämpfen beschäftigt. Dennoch bleibe das Engagement gegen Rechts weiterhin lebendig und vielfältig. Überall verteidigten – gerade auch junge Menschen – die demokratischen Werte.
Zugleich steige die Nachfrage nach Beratung auf ein erneutes Rekordhoch, sagte Arnold. Je nach Region verzeichneten die bundesweit etwa 200 mobilen Beraterinnen und Berater in diesem Jahr zwischen 5 und 20 Prozent mehr Anfragen. Schwerpunkte seien Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Dort könnten einige Anfragen schon nicht mehr in angemessener Zeit abgearbeitet werden.
Die Beraterin forderte dazu auf, die Demokratie zu verteidigen. Es gehe um Solidarität mit verfolgten Gruppen und eine Stärkung der Schwächsten. Auch brauche es Investitionen in Bildung und Jugendarbeit sowie eine verlässliche Finanzierung der Beratungs- und Unterstützungsangebote. Viele Beratungsstellen wüssten kurz vor Jahresende noch nicht, ob und wie es im kommenden Jahr weitergehe. Viele Beratungsteams würden zudem die Prüfung eines AfD-Verbots unterstützen. (KNA)
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