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Warten auf den Pass. Zeit und Geduld ist gefragt.

© Paul Zinken

Einbürgerungen in Berlin: Der lange Weg zum deutschen Pass

Die Zahl der Einbürgerungen sinkt in Berlin permanent. Viele Antragsteller glauben, dass es ihnen die Behörden absichtlich schwierig machen - die lückenhafte Informationslage ist für viele Antragsteller ein Problem.

Willkommen – ein schönes Wort. Wer einen weiten Weg und vielleicht auch einen schweren Schritt hinter sich hat, um anzukommen, hört es besonders gern. Wie die rund 6000 Menschen, die im vergangenen Jahr in Berlin ihre Einbürgerung beantragt haben. Die Deutsche werden wollen, weil sie dieses Land als ihre Heimat begreifen und hoffen, mit einem deutschen Pass in vielen Lebensbereichen bessere Chancen zu haben.

So wie Kareem Ibrahim. Der 30-jährige Grafiker ist in Ägypten geboren und seit drei Jahren mit der Deutschen Ina Elsagir, einer Dolmetscherin, verheiratet. „Ich hoffe vor allem, dass ich mit einem deutschen Pass eher eine feste Arbeit bekomme”, sagt Ibrahim, als er mit seiner Frau im ersten Stock der Staatsangehörigkeitsbehörde Mitte an das Treppengeländer gelehnt auf die Erstberatung zur Einbürgerung wartet. In Mitte wurden in den letzten Jahren die meisten Menschen eingebürgert, noch vor Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg. Auf den wenigen schwarzen Stühlen des schmucklosen Flures warten Passanwärter verschiedener Herkunft, der Rest steht und sitzt auf den Treppenstufen. Es sind viele Mütter mit Kindern da, die unter bestimmten Voraussetzungen – sie sind nach dem 1. Januar 2000 geboren, ein Elternteil lebt seit acht Jahren in Deutschland und hat ein unbefristetes Aufenthaltsrecht – einen gesetzlichen Anspruch auf Einbürgerung haben.

Ibrahims Einbürgerung allerdings ist Ermessenssache, da er sich noch nicht seit acht Jahren in Deutschland aufhält. Für ihn wird es nicht die erste Zitterpartie werden, denn er und seine Frau haben nach der Heirat schon einige Hürden nehmen müssen – eine schwere Zeit. „Es ging so weit, dass Mitarbeiter der Ausländerbehörde in Westfalen meine Mutter einschüchtern wollten, sie habe Kareem geholfen, sich nach Berlin abzusetzen”, erzählt Ina Elsagir. Dabei haben sie und ihr Mann ganz regulär ihren zweiten Wohnsitz nach Berlin verlegt, weil sie hier bessere Jobmöglichkeiten sahen. „Wir hatten immer das Gefühl, unter Generalverdacht zu stehen”, sagt Ibrahim. Es habe strenge Einzelinterviews gegeben, wie im Film sei sogar die Zahl der benutzten Zahnbürsten überprüft worden. Obwohl Ibrahim sich durch solche Erlebnisse nicht gerade willkommen fühlte, hat er sich entschieden, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Ob er sie bekommt, ist offen. Es fehlen ihm verlässliche Informationen, ob er einen gültigen ägyptischen Pass braucht, seiner ist zu Beginn der Revolution in Ägypten abgelaufen. Selbst bei der Erstberatung in Mitte kann man ihm darüber keine genaue Auskunft geben. Außerdem ist es fraglich, ob die Einkommensnachweise des Ehepaares ausreichen, da beide ihren Lebensunterhalt zurzeit freiberuflich bestreiten.

„Gerade für Freiberufler und Selbstständige fehlt es an flexiblen, den realen Bedingungen angemessenen Regelungen für die Einbürgerung“, kritisiert der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening. Das bestätigt auch Michael Weiß, Leiter der Volkshochschule Mitte, wo der Einbürgerungstest für den Bezirk stattfindet. Rund 97 Prozent der Antragsteller bestehen ihn – er gilt, da man sich gut darauf vorbereiten kann, kaum noch als Hürde für die Einbürgerung. Dennoch gehen die Einbürgerungszahlen in Berlin wie auch in Deutschland seit Jahren zurück: Wurden in Berlin 2006 noch rund 8200 Menschen deutsche Staatsbürger, so waren es 2010 nur noch rund 5500. „Das Problem ist nicht nur der Nachweis, den Lebensunterhalt selbstständig bestreiten zu können, sondern auch, dass es zu wenig zielgerichtete Werbung gibt”, sagt Weiß. Daher seien Unterrichtsmaterialien zu dem Thema entwickelt worden, die bei den Mütter-Sprachkursen in Schulen und Kitas auf große Resonanz stoßen.

Die lückenhafte Informationslage ist für viele Antragsteller ein Problem. Nicht nur das Internet, sondern auch die von der Senatsverwaltung für Inneres mit dem Einbürgerungsverfahren beauftragten Bezirksämter bieten kaum konkrete Hinweise. „Wir betreuen Menschen aus 120 Nationen, da ist es unmöglich, im Vorfeld genaue Auskunft über notwendige Unterlagen oder gar Erfolgsaussichten zu geben”, sagt Klaus-Jürgen Ahrens, Amtsleiter der Bürgerdienste in Mitte. Ein Mann, dessen afrikanische Ehefrau sich zurzeit um Einbürgerung bemüht, vermutet einen anderen Grund: „Die Politik vermeidet Eindeutigkeit, weil man keine Präzedenzfälle schaffen will, aufgrund derer sich jemand einklagen könnte.”

Doch einiges Positives hat sich in den letzten Jahren immerhin in Berlin getan: Fast alle Bezirke veranstalten mittlerweile Einbürgerungsfeiern. Und die durchschnittliche Wartezeit auf einen Bescheid soll sich aufgrund einer Zielvereinbarung mit dem Senat auf rund sechs Monate verkürzt haben. „Natürlich gibt es noch viel zu tun”, sagt Ahrens. „Wir müssen unseren Internetauftritt verbessern und können sicher auch die Wartebereiche freundlicher gestalten.”

Bis es so weit ist, hat vielleicht auch Barry aus Tiergarten wieder Ambitionen, sich einbürgern zu lassen. Darüber nachgedacht hatte er mal. Erst mal aber muss der Amerikaner heiraten, weil er sonst abgeschoben wird. Nicht, dass er seine deutsche Freundin, mit der er seit zehn Jahren zusammenlebt, nicht liebt. „Aber wir hätten später gern aus romantischen Gründen geheiratet”, sagt der 51-Jährige. Seit zwei Jahren bemüht er sich, eine Arbeit zu finden, die die Ausländerbehörde akzeptiert. Doch entweder wird der Stundenlohn mit zwölf Euro als zu gering befunden, oder ein Deutscher könnte die Arbeit machen, weshalb Barry keine Genehmigung für den Job bekommt. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass der potenzielle Arbeitgeber nicht wochenlang auf das Okay der Ausländerbehörde für einen Bewerber warten will. „Es ist sehr frustrierend. Dabei habe ich sogar mal in Berlin studiert und würde jede Arbeit machen”, sagt der Ökonom. Die bürokratischen Hürden seien mit Absicht so hoch, um Ausländer zu frustrieren und zum Aufgeben zu zwingen, glaubt er. „Doch ich lasse mich nicht unterkriegen”, sagt Barry. Nur auf seine Einbürgerungspläne ist er zurzeit nicht mehr so gut zu sprechen: „Warum soll ich Deutscher werden, wenn man mir das Gefühl gibt, dass man mich hier anscheinend gar nicht will?”, fragt er. Und geht mit seiner Freundin an der Einbürgerungsberatung vorbei in Richtung Standesamt.

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