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Am Samstag ziehen wieder tausende beim CSD durch Berlin. Erwartet werden 500.000 Menschen.

© imago images/IPON

„Wir müssen die Stadt auf den Kopf stellen“: CSD-Vorständin will mehr Sichtbarkeit für queere Forderungen

Monique King sitzt im Vorstand des CSD-Vereins. Im Interview spricht sie über das diesjährige Fokusthema mentale Gesundheit und die Rolle des Ukraine-Krieges.

Am Wochenende findet der 44. CSD in Berlin statt. Wie laufen die Vorbereitungen?
Gut, auch wenn wir uns gerade auf der Zielgerade befinden und deshalb wahnsinnig viel zu tun haben.

Das Motto der diesjährigen Pride-Demo lautet „United in Love! Gegen Hass, Krieg und Diskriminierung“. Worum geht es?
Es geht um den Prozess der Vereinigung der Menschen miteinander und den gemeinsamen größten Nenner: Liebe. Unsere Forderungen sind in diesem Jahr enorm ausführlich: Sie reichen vom Thema Hatecrime/Hatespeech über Bildung und Aufklärung hin zu Arbeit und Diversity, trans-/inter-/non-binary Themen, Regenbogenfamilien, Gesundheit und Generationen – um nur ein paar zu nennen.

Der CSD gleicht ja einer großen Party. Wie stellen Sie sicher, dass diese Forderungen nicht untergehen?
Abgesehen von der Pride werden wir unsere Forderungen auch an insgesamt 150 Institutionen, Parteien, Wirtschafts- und Kulturbetriebe sowie zivilgesellschaftliche Organisationen versenden. Und auf das Ausbleiben von Reaktionen wollen wir in diesem Jahr einen besonders hohen Druck ausüben. Thematisch ist es für uns wichtig, dass wir uns in diesem Jahr gegen Kriege, nicht nur gegen einen Krieg richten: Wir wollen auch auf den Hass auf der Straße und im digitalen Raum aufmerksam machen. Und auf die Diskriminierung außerhalb, aber auch innerhalb unserer Community.

Der Krieg in der Ukraine wird aber schon eine Rolle spielen, oder?
Wie kann der barbarische Krieg gegen einen souveränen Staat, wie die Ukraine, keine Rolle spielen? Der Krieg ist auf das Schärfste zu verurteilen und hat massive Auswirkungen auch auf die queere, ukrainische Community. Wir haben den Kyiv Pride eingeladen und stehen in Kontakt mit Quarteera, WostoQ, dem LSVD und auch dem Marzahn-Pride. Innerhalb des Pride-Months in Berlin haben wir ein Ukraine-Benefiz-Konzert mit Quarteera initiiert und Spenden gesammelt.

Zum ersten Mal hat in diesem Jahr der Berliner-Pride-Month stattgefunden. Allerdings einen Monat nach dem internationale Pride-Month im Juni, warum?
Es gibt ein altbekanntes Problem: Wie sorgen wir dafür, dass Entertainment und unsere Forderungen zueinander finden? Der Pride-Month Berlin ist der Start einer Reise, auf der die Community und wir als Verein gemeinsam Inhalte kuratieren und jährliche Fokusthemen festlegen. Der internationale Pride Month steht nicht in Konkurrenz mit dem in Berlin. Im Gegenteil: Es ist doch super, wenn dadurch zwei Monate verstärkte Sichtbarkeit für queere Themen geschaffen werden!

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Ein Fokusthema in diesem Jahr ist Mental Health, warum?
Mentale Gesundheit und psychische Probleme betreffen immer mehr Menschen, aber vor allem Personen aus der LGBTQIA+ Community sind vermehrt von Depressionen oder Angststörungen betroffen. Die Mehrfachbelastung queerer, erkrankter Menschen bleibt oft unsichtbar.

Und was tun Sie konkret?
Seit vielen Monaten geben Anna Holfeld und Tobias Herrmann-Schwarz aus unserem Team jeden Montag Tipps, Tricks und Adressen zur Hilfe auf unseren Social-Media-Kanälen sowie Ratschläge via Mail. Dafür sind wir unendlich dankbar, denn das ist alles ehrenamtliche Arbeit. Auf dem CSD selbst wird es einen ganzen Mental-Health-Truck geben. Außerdem gab es eine Sober Party – ohne Alkohol und Drogen – die auch Tobias und Anna kuratiert haben. So ein niederschwelliger und einfacher Zugang zu wichtigen Infos ist doch großartig!

Die CSD-Vorständin Monique King.
Die CSD-Vorständin Monique King.

© Julian Laidig

Und wie laufen die anderen Veranstaltungen im Rahmen des Pride-Month bisher?
Sehr gut! Wir haben in Berlin insgesamt 63 Veranstaltungen in unser Programm aufgenommen, einige davon sogar selbst initiiert und unterstützt. Wir sind unglaublich froh, dass alle bisherigen Events starke Partner:innen und Kollektive haben und auch die plurale Gesellschaft unsere Events stark besucht. Der Höhepunkt wird natürlich die Demonstration am Samstag sein. Da werden wir besonders laut sein, denn wir wollen und müssen Reichweite schaffen und ja – wir müssen die Stadt auf den Kopf stellen, damit unsere Forderungen gehört werden. Um mit den vielen Inhalten sichtbar zu sein, wird es auf den Trucks auch wieder Sprachbeiträge geben.

[Wer noch mehr über das queere Berlin erfahren will: Der Tagesspiegel-Newsletter Queerspiegel erscheint monatlich, immer am dritten Donnerstag. Hier kostenlos anmelden: queer.tagesspiegel.de]

Apropos Trucks, 96 Wagen werden mitfahren. Gruppen wie die Queers for Future fordern, inmitten der Klimakrise auf große Trucks zu verzichten. Was sagen Sie dazu?
Der CSD hat da eine wichtige Tradition, zu der auch Trucks gehören, um sich durch Größe und Lautstärke von gewöhnlichen Laufdemos zu unterscheiden. Der CSD ohne Trucks, ohne Musik, ohne Menschen wäre kein CSD. Der CSD ist revolutionär und gehört auf die Straße. Wenn wir auf den Straßen leise werden, dann fehlt die nötige Aufmerksamkeit für die queere Community und ihre Themen, zu denen auch Umweltbewusstsein gehört. Wenn Queers for Future mit uns Forderungen erarbeiten wollen, freuen wir uns, wenn sie auf uns zu kommen.

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Willkommen sind nicht nur die Queers for Future. Auch die CDU, der Axel-Springer-Verlag und diverse Unternehmen, die nicht unbedingt dafür bekannt sind, sich für die Rechte von queeren Menschen einzusetzen, werden wieder einen Wagen haben, warum?
Meinungsfreiheit ist ein unabdingbarer Bestandteil unserer Demokratie. Das beinhaltet auch die Möglichkeit, dazuzulernen und Meinungen zu ändern - auch in der Politik. Und Veränderung kann in Organisationen auch von innen heraus gelingen, wenn wir queere Gruppen innerhalb dieser Organisationen unterstützen. Dann können sie gestärkt für mehr Verständnis werben. Wir sind bereit, mit allen in einen sinnvollen Diskurs zu gehen, die dafür offen sind. Das sind nicht alle politischen Kräfte in Deutschland, aber die meisten. Deswegen ist unser Motto „United in Love“ auch so wichtig. Die LGBTQIA+ Community als monolithischen Block gibt es nicht. Wir sprechen mit vielen Stimmen und haben viele Meinungen, die sich im Kampf gegen Homo-, Bi- und Transphobie und für queere Liebe zusammenfinden. Etwas, von dem die Gesamtgesellschaft nach wie vor viel lernen kann.

Der CSD-Verein spricht mit vielen Stimmen, im fünfköpfigen Vorstand sind Sie allerdings die einzige Frau. Was plant der Verein, um mehr Diversität zu erreichen?
Mir persönlich wäre es wichtig, insgesamt diverser zu werden. Menschen für ein Ehrenamt einer der größten Tages-Veranstaltung in Deutschland zu gewinnen, ist allerdings eine schwierige Aufgabe. Denn so eine große Verantwortung ehrenamtlich zu schultern, muss man sich zeitlich und finanziell erst einmal leisten können. Vielleicht spielt der Einkommensgap zwischen Männern und Frauen auch hier eine Rolle. Wir versuchen aber, den Zugang zum Team niedrigschwellig zu halten und mit persönlichen Gesprächen für die Mitarbeit am CSD zu werben. Im Übrigen sind ja auch nicht nur die fünf Menschen des Vorstandes an der Organisation beteiligt, sondern ein Kernteam von rund 15 wundervollen Menschen, zu dem auch viele Frauen gehören und Personen, die sich gar nicht in diese Kategorien von männlich-weiblich einordnen.

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