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1. Mai: Harte Böen statt Gewaltsturm

Die Polizei hat ihre Sache gut gemacht und das Schlimmste verhindert, findet Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt. So konnte ein Scheitern der Idee des Myfestes verhindert werden.

Mehr Krawall, mehr Verletzte, mehr Verhaftete - und mehr Kritik an Körting. Der Innensenator macht in der Tat nicht immer eine glückliche Figur, zum Beispiel auf der Flucht aus einer Friedrichshain Kneipe, und er redet zuweilen auch komisch daher, etwa wenn er die Massenenthemmung bei einer Straßenschlacht mit der bei einer Massenvergewaltigung vergleicht. Aber darauf kommt es letztlich nicht an. Wer die Einsatztaktik bewertet, darf nicht nur in Rechnung stellen, was geschehen ist, sondern muss auch sehen, was hätte passieren können - und was zu erwarten war. Und da standen alle Zeichen auf Sturm. Eine auch für den 1. Mai in Berlin ungewöhnliche Zusammenballung von potentiell gefährlichen Demonstrationen und Veranstaltungen, dazu die politische Aufladung durch das Geraune über mögliche soziale Unruhen wegen der Folgen der Wirtschaftskrise, die Nadelstiche der Autonomen in den Wochen zuvor - da musste das Schlimmste befürchtet werden. Es fegten aber nur ein paar harte Böen durch die Straßen von Kreuzberg.

Als gegen Mitternacht in einer langen Kolonne die Busse mit den gefürchteten griechischen Basketball-Hooligans von der Polizei in einem großen Bogen um Kreuzberg herum Richtung Westen geleitet wurden, da war auch rund um das Kottbusser Tor das Gröbste überstanden. Die Kämpfer waren müde oder betrunken oder beides, der von den einen erhoffte, von den anderen befürchtete Nachschub blieb aus. Am Ende hatten die Kreuzberger Revolutionären Garden zwar mehr Steine geworfen, aber weniger Autos umgestürzt und angezündet als in vielen Jahren zuvor. Die Polizei konnten sie nur zu Beginn der Abend-Demo mit ihren Attacken überraschen. Was danach folgte, waren einige brutale Scharmützel. Wenn sie aber gehofft hatten, dass der Funken überspringen und ganz Kreuzberg zur Zelle eines großen Aufstands würde, haben sie sich getäuscht. In den Straßen wurde weiter gefeiert. Die Idee des Myfestes ist nicht gescheitert.

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