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Das Myfest 2015.

© dpa

1. Mai in Berlin-Kreuzberg: Henkel und Polizeichef trafen sich heute mit Myfest-Crew

Ob das Myfest 2016 in Kreuzberg stattfinden wird, ist derzeit unklar. Aber eine Lösung zeichnet sich ab.

Wie geht's denn nun weiter mit dem Myfest? Am Mittwochmorgen haben sich Innensenator Frank Henkel (CDU) und Polizeipräsident Klaus Kandt mit vier Vertretern der MyFest-Crew getroffen. Das einstündige Gespräch habe in konstruktiver Atmosphäre stattgefunden, teilte die Innenverwaltung mit. Und was kam nun raus?

Henkel formuliert es so: „Die gemeinsame Suche nach einer Lösung für das MyFest geht weiter. Wir haben in dem sehr konstruktiven Gespräch einen Vorschlag erarbeitet, den die MyFest-Crew jetzt intern diskutieren wird. Danach werden wir uns wieder zusammensetzen.“ Zusätzliche Details nannte Stefan Sukale, der Pressesprecher der Senats-Innenverwaltung, nicht. Die Suche könnte nun so enden: Die Crew gibt dem Myfest einen politischen Charakter. Wie der genau aussehen wird, muss in Feinheiten geklärt werden. Auf jeden Fall ist wichtig, dass ein politischer Zweck erkennbar ist. Dann könnte die Versammlungsbehörde, sprich die Polizei, die Riesenfete als politische Versammlung genehmigen. Damit wäre der Bezirk aus der Haftung. Denn angemeldet bei der Polizei hat das Myfest, wie schon 2015, Monika Herrmann (Grüne), die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, persönlich. Unter dem Briefkopf "Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Bezirksbürgermeisterin". Und angemeldet hat die Grünen-Politikerin das Straßenfest, wie auch schon im vergangenen Jahr, als "politische Veranstaltung". Dieser Begriff hat im Versammlungsrecht aber keine Bedeutung. Nur bei einer "politischen Versammlung" ist der Bezirk frei von Haftung, wenn etwas passiert.

Die Frage der Toiletten muss noch geklärt werden

Zur Lösung gehört aber auch, dass alle Punkte, die charakteristisch zu einem Straßenfest gehören, Imbissstände zum Beispiel, getrennt vom politischen Charakter der Versammlung sind. Für Imbissstände etwa ist nach wie vor der Bezirk zuständig. Wer dafür sorgt, dass genügend Dixi-Toiletten vor Ort sind oder letztlich den Müll entsorgt, das sind Punkte, die in den Gesprächen wohl noch geklärt werden. Aber eine Klärung ist wichtig. Im vergangenen Jahr gab es zu wenige Toiletten, es gab auch zu wenige Ordner. Bei einer politischen Versammlung muss ein Veranstalter zwingend genügend Ordner aufbieten.

Klar ist seit Dienstag nur, dass es keinen kommerziellen Veranstalter für diese Riesenfete am 1. Mai geben wird. Fanmeilen-Veranstalter Willy Kausch hatte am Dienstag im Gespräch mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, dem bezirklichen Ordnungsamt und der Myfest-Crew erklärt, dass er kein Interesse habe, eine politisch orientierte Veranstaltung zu organisieren. Andererseits war es auch so, dass die Myfest-Crew keine Lust hatte, ausgerechnet in Kreuzberg mit einem Fanmeilen-Organisator ein Szenefest auszurichten. Das Myfest soll ein alternatives Straßenfest bleiben, nur die Haftung wollen die Organisatoren vom Hals haben.

Dass es überhaupt zu solchen Diskussionen kommt, hat zwei Gründe. Erstens lief das Fest 2015 völlig aus dem Ruder. 250 000 Menschen überschwemmten die Straßen rund um die Oranienplatz, es herrschte drangvolle Enge, die mobilen sanitäre Anlagen waren diesem Ansturm nicht gewachsen, mit dem Ergebnis, dass viele Besucher in Hauseingänge urinierten und Anwohner genervt flüchteten oder lauthals protestierten. Zudem bestand die Gefahr einer Massenpanik. Und seit der Love-Parade-Katastrophe in Duisburg im Jahr 2010 mit 21 Toten gibt es ständig die Angst, dass es wieder zu einer solchen Tragödie kommen könnte. Deshalb hatte Monika Herrmann anschließend auch erklärt, der Bezirk könne in Zukunft keine Haftung nicht mehr übernehmen.

Ein Anwohner klagt gegen die Versammlungsbehörde

Der zweite Punkt war die Klage eines Anwohners gegen die Polizei, also gegen die Versammlungsbehörde. Der Anwohner möchte vor Gericht festgestellt haben, dass es sich bei dem Myfest gar nicht um eine politische Versammlung handelt. Formaljuristisch hat er recht, es war laut Anmeldung ja nur eine "politische Veranstaltung". Und die ist auf dem Niveau eines Straßenfestes oder einer Silvestermeile am Brandenburger Tor. Laut Bundesverfassungsgericht muss eine politische Versammlung einen gemeinsamen Zweck haben. Ansonsten ist es eine bloße Menschenansammlung. Und dem Myfest fehlte demnach der gemeinsame Zweck. Da die Polizei dann aufgrund der Klage offiziell erklärte, das Myfest sei keine politische Versammlung, fühlten sich Bezirk und Mayfest-Crew offenbar düpiert. Und sie hatten wohl das Gefühl, dass ihr Vertrauen missbraucht worden sei. Denn in ihrer Wahrnehmung war das Myfest immer eine politische Geschichte, egal, wie man die Fete bezeichnete. Für Monika Herrmann jedenfalls "ist 2015 die Polizei als Partner ausgestiegen". Doch Partner im klassischen Sinn "war die Polizei nie", sagt Polizeisprecher Stefan Redlich.

Es ist wohl mehr eine Frage der Kommunikation. Ursprünglich, 2003, als es gegründet wurde, war das Fest durchaus eine politische Versammlung. So war es auch angemeldet. Das Myfest war eine Antwort auf die traditionellen 1. Mai-Krawalle, die friedliche Feier sollte Steine- und Flaschenwerfer verdrängen beziehungsweise Krawalle überhaupt verhindern. Im Lauf der Jahre wandelte sich die Feier allerdings zur Massenfete, bei der vor allem Musik, Alkohol und gute Stimmung wichtig waren. Ein Straßenfest halt. Zumindest seit 2013 wurde das Myfest nur noch als "politische Veranstaltung" angemeldet. Ein Unterschied, den in der Praxis niemand groß beachtete. Zumindest solange es keine großen Probleme gab. Der Bezirk war zumindest seit 2013 haftbar für Schäden und ist es bis heute. Doch seit den Problemen 2015 ist die Haftungsfrage ein Thema, das eine völlig neue Bedeutung bekommen hat.

Polizei hat ihre Linie nicht geändert

Die Polizei wehrt sich allerdings gegen den Vorwurf, auch von Monika Herrmann geäußert, sie habe ihre Linie im vergangenen Jahr geändert. "Aus Sicht der Polizei hatte sich nichts geändert", sagt Polizeisprecher Redlich. "Wir machen bis jetzt nichts anderes als wir 2015 und 2014 gemacht haben." Die Polizei sorgte in den vergangenen Jahren dafür, dass keine Flaschen verkauft und mitgebracht werden. Zum einen können sich Besucher an den Scherben kaputter Flaschen verletzten, zum anderen sollen die Flaschen nicht als Wurfgeschoss eingesetzt werden. Nur wenn das Fest als politische Versammlung angemeldet wird, ist sie für die Sicherheit verantwortlich. Und für Redlich ist das kein Problem. "Das ist unsere Aufgabe, dass wir das hinbekommen." Ablehnen könnte die Versammlungsbehörde, also die Polizei, eine Versammlung nur, wenn zu erwarten ist, dass dabei schwere Straftaten zu erwarten sind. "Und beim Myfest", sagt Redlich, "ist das definitiv nicht der Fall."

Für Monika Herrmann war aber nach der Absage von Kausch erstmal der Innensenator am Zug. "Er wollte immer das Fest, jetzt muss er dies auch zeigen“, sagte Herrmann. Allerdings teilte die Polizei mit, dass mangels eines Antrags auf Versammlung unverändert der Bezirk für die Genehmigung zuständig sei.

Allerdings ist unbestritten, dass auch Henkel großen Wert auf das Myfest legt. Denn es erfüllt ja seinen Zweck, der 1. Mai bleibt vergleichsweise friedlich, die Polizei hat viel weniger Einsätze als früher. Die ganze Stadt profitiert davon. Deshalb unterstützte der Senat im vergangenen Jahr den Bezirk ja auch mit 215 000 Euro. Auch für 2016 ist diese Summe eingeplant. Und deshalb hat Henkel natürlich auch ein großes Interesse daran, dass das Myfest 2016 stattfindet.

Zumindest die Arbeiten im Hintergrund sind durch die Diskussionen nicht beeinträchtigt. „Wir arbeiten seit langem an der Organisation des Festes. Es wird hektisch, aber wir können es schaffen“, sagte Herrmann am Dienstag. Allerdings müsse Mitte März eine endgültige Entscheidung fallen. So wie es jetzt aussieht, fällt die Entscheidung aber in sehr kurzer Zeit.

Wie alles begann: Am 3. Mai 2015 berichtete der Tagesspiegel: Kreuzbergs Bezirkschefin stellt das Fest in Frage. Überfüllt, nicht mehr sicher, zugemüllt: Für das Myfest in Kreuzberg erwägt Bürgermeisterin Monika Herrmann radikale Lösungen – bis hin zur Absage. Und die Bilanz der Polizei: Der friedlichste 1. Mai seit Beginn der Krawalle. Lesen Sie hier noch einmal den Text kurz nach der Feier.

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