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Berlin: 10 Jahre Währungsreform: Die vom Begrüßungsgeld gekaufte Jeans passt längst nicht mehr

Brot? Butter?

Brot? Butter? Milch? "Völlig undenkbar, das gute Westgeld für solch profane Dinge auszugeben." Andreas Ortlam, 39-jähriger Banker aus Weißensee, kann sich noch gut daran erinnern, als er die erste D-Mark nach der Währungsunion in den Händen hielt. Was er sich kaufte? "Eine Jeans von US-Top für 79 Mark und Süßigkeiten." Das Begrüßungsgeld war nicht die erste Westwährung, die der gebürtige Thüringer ausgab.

"Ich war als Jugendlicher total scharf auf eine Wrangler, aber wir hatten leider keine Westverwandtschaft." Ortlams Vater, ein Maler, fragte im Kollektiv nach. "Für 220 Mark Ost habe ich dann die 55 Mark West für die Jeans bekommen." Wie vielen DDR-Bürgern gelang es auch dem seit 1984 in Berlin lebenden Thüringer aus Liebschütz, an Westgeld heranzukommen. So verdiente sich sein Vater durch Schwarzarbeit harte D-Mark, von der auch der Sohn profitierte: "Eine Familie erwartete Besuch aus dem Westen - da musste die Wohnung noch schnell schick gemacht werden."

Was aber damit machen? "Ich bin sofort in den Intershop gerannt, wollte aber nichts Vergängliches kaufen." Statt Kaffee oder Seife holte er sich - Likörgläser. "So hässliche Dinger, da hätte ich lieber 15 Tafeln Schokolade nehmen sollen." Später kassierte Andreas selbst West-Mark, als Kellner. "Zur Beschleunigung des Services" gab es von Gästen aus dem Westen "ein, zwei Mark". Die investierte er in Parfüm. Und Seife. "Die roch deutlich besser als unsere."

Damals hätte sich Ortlam nicht träumen lassen, dass er 1989 Begrüßungsgeld in den Händen halten würde. An den Tag kann sich Andreas noch genau erinnern. "Zwei Stunden habe ich angestanden, und es war ekliges Wetter." Und wieder stand die Frage im Raum: Worin investieren? "Wir dachten doch, vielleicht ist dies die erste und die letzte Westmark, die wir bekommen." Viele Bekannte von ihm buchten damals eine billige "Holiday"-Busreise ins Ausland.

Kurze Zeit später gab Ortlam seine ersten US-Dollar in den Staaten aus - dort arbeitete er als Jugendbetreuer für "Camp America". Das Geld für das Visum sparte er sich als Spender für Blutplasma zusammen. Ein paar "Aluchips" und einen Zehn-Mark-Schein hat sich der Banker aufgehoben. "Wenn ich die angucke, habe ich keinen Frust." Eher erinnert er sich an die raffinierte Knifftechnik, mit der man Clara Zetkin auf der Note ein Doppelkinn verpassen konnte. Seine erste US-Top-Jeans hat der Diplomökonom noch im Schrank. "Aber heute ich passe nicht mehr rein."

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