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Berlin: 10 Millionen wollen die Stadtobersten für einen neuen Schießplatz investieren

Aus EU-Fördertöpfen soll Geld zugeschossen werden, derweil andere Sportstätten ins Kraut schießenAxel Bahr In Zeiten leerer Kassen und maroder Sportanlagen plant der Senat für mehr als zehn Millionen Mark einen hochmodernen Schießstand in Altglienicke. Das Projekt soll in der kommenden Woche auf der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses dieser Legislaturperiode abgesegnet werden.

Aus EU-Fördertöpfen soll Geld zugeschossen werden, derweil andere Sportstätten ins Kraut schießenAxel Bahr

In Zeiten leerer Kassen und maroder Sportanlagen plant der Senat für mehr als zehn Millionen Mark einen hochmodernen Schießstand in Altglienicke. Das Projekt soll in der kommenden Woche auf der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses dieser Legislaturperiode abgesegnet werden. Der sportpolitische Sprecher der Grünen, Dietmar Volk, spricht von einem "Skandal allerersten Ranges".

Volk wirft dem Senat unter anderem vor, ohne Rechtsgrundlage Fördermittel der EU in Anspruch nehmen zu wollen. Volk hat die neue EU-Kommissarin für Haushalts- und Korruptionsfragen, Michaele Schreyer, über den "Schieß"-Plan informiert. Die Notwendigkeit für eine neue Schieß-Anlage sieht der Senat aufgrund des Abrisses der früheren Stasi-Schießstände in Johannisthal/Adlershof. Auf der 1968 errichteten Anlage versuchen Sport- und Freizeitschützen ihre Treffsicherheit mit den unterschiedlichsten Handfeuerwaffen zu verbessern. "Vom Luftdruckgewehr bis zur Magnum kommt alles zum Einsatz", sagt Volk. Nach einer dem Tagesspiegel vorliegenden Senatsvorlage wird der Schießstand von rund 1400 Sportschützen, organisiert in acht Vereinen, genutzt. Auch der Leistungssport ist aktiv, es trainieren B- und D-Kader. Die Anlage muss nun weichen, weil auf dem einstigen Kasernen- und Flugplatzareal Institute der Humboldt-Universität errichtet werden sollen.

Die Sportverwaltung sieht sich aufgrund des Sportförderungsgesetzes dazu verpflichtet, den Waffen-Sportlern zur Aufrechterhaltung ihres Trainings einen Ersatz zur Verfügung zu stellen. Ein Ausweichen auf vorhandene öffentliche Schießsportanlagen innerhalb der Stadt oder im Umland sei wegen zu geringer Kapazitäten oder mangelnder technischer Ausstattung den Schützen nicht zuzumuten. Eine "Ersatzbauanlage" sei demzufolge "unumgänglich". Diese soll - inklusive einer großen Schießhalle - auf einem landeseigenen Grundstück in Altglienicke bis zum Jahresende 2001 entstehen. Die Kosten für "Personen- und Waffenbeförderung" beim zwischenzeitlichen Ausweichen auf andere Anlagen werden den Vereinen aus dem Treuhandvermögen erstattet. Nach dem Entwurf für die Investitionsplanung belaufen sich die Kosten für den hochmodernen Schießstand auf insgesamt 10,4 Millionen Mark. Die Verwaltung prüft derzeit, ob Mittel des Europäischen Regionalfonds (EFRE) "in Höhe von 75 Prozent der Gesamtkosten" eingesetzt werden können.

Für Sportpolitiker Volk setzt spätestens bei der Frage der Finanzierung der "Skandal" an. Es ist seiner Meinung nach nicht davon auszugehen, dass die Gelder von der EU für den Bau einer Schießanlage freigegeben werden oder das Vorhaben die Regularien für eine Förderung erfüllt. "Was hat Schießen mit der Stärkung regionaler Wirtschaftsstruktur zu tun?", fragt Volk. Vor diesem Hintergrund dränge sich die Vermutung auf, der Senat versuche, europäische Gelder ohne Legitimation zu bekommen. Volk hat seine frühere Fraktionschefin und neue EU-Kommissarin, Michaele Schreyer, aufgefordert, das Ansinnen Berlins intensiv unter die Lupe zu nehmen. Vor dem Hintergrund, dass Sportanlagen verfallen und selbst das Geld zum Betrieb der neuen, 200 Millionen Mark teuren Schwimm- und Sprunghalle fehle, sei der Bau eines Schießstandes "skandalös und filzverdächtig". © 1999

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