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Berlin: 10. Schwul-lesbisches Chorfestival: Rosa Kehlen

Die schwulen Chearleader schwangen die Puschel über der entblößten Brust, und die Chorbegleiter zogen mit Pappschildern auf die Bühne wie beim Einmarsch der Olympia-Mannschaften. Nur, dass auf den Schildern keine Ländernamen standen, sondern Wortschöpfungen wie Lustschrei, Vox Rosa , Männerminne oder Manfrett Singers.

Die schwulen Chearleader schwangen die Puschel über der entblößten Brust, und die Chorbegleiter zogen mit Pappschildern auf die Bühne wie beim Einmarsch der Olympia-Mannschaften. Nur, dass auf den Schildern keine Ländernamen standen, sondern Wortschöpfungen wie Lustschrei, Vox Rosa , Männerminne oder Manfrett Singers. Szenen von der Eröffnungsgala des 10. Schwul-lesbischen Chorfestivals im Friedrichsstadtpalast. Ein Ereignis, das "der Liebe zur Musik, zur Harmonie und den romantic possibilities des Chorgesangs" gewidmet war, wie Moderatorin Gayle Tufts sagte.

Wenn Schwule und Lesben im Verein singen, geben sie sich lustige Namen, aber was unterscheidet sie noch von ihren heterosexuellen Sangesgeschwistern? Thomas Nolls, Kantor an der Sophienkirche und Chorleiter der Rosa Cavaliere braucht keine drei Sekunden für die Antwort. "Hat man das nicht gehört?" fragt er zurück. Doch zur Eröffnung des Chorfestivals war der Unterschied nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. Richtig schön klingt die Tonakrobatik des neuen Berliner Damenchores erst durch die Bühnenpräsenz der Ensemble-Mitglieder. "Das Auge hört mit" lautet das Festival-Motto. Thomas Noll: "Schwule und Lesben haben etwas übrig für gekonnte Selbstdarstellung."

An diesem Abend erbrachten die RosaCavaliere mit ihrer Version von der "schönen blauen Donau" den Beweis dafür. Ganz in weiß im Walzertakt: Da schlugen nicht nur Homo-Herzen höher, auch die heterosexuellen Musikfreunde klatschten herzlich. Am Dienstagabend bat Justizministerin Herta Däubler-Gmelin zum Empfang ins Haus der Kulturen der Welt. Die offizielle Schirmherrschaft der Ministerin kommt als späte Genugtuung im Kampf um offizielle Anerkennung. "Unser Problem ist, dass alle bei schwul an Tingeltangel denken und bei Chor anfangen, zu gähnen", klagt Thomas Noll. Wenigstens das zweite Vorurteil hat die Eröffnungsgala am Montag entkräftet. Und für den ernsthaften Anspruch garantiert das restliche Festival-Programm bis Samstag: Workshops von Schminktechnik bis Atemübungen für die 1508 Teilnehmer aus ganz Europa, neben Konzerten der Gastchöre überall in der Stadt, im Max-Beckmann Saal, der Kiche zum heiligen Kreuz und der Ufa-Fabrik.

Ein Höhepunkt verspricht das Sing-In auf Berliner Plätzen am Sonnabendnachmittag zu werden. Danach wird auf der Abschlussparty im Haus der Kulturen der Welt gefeiert. Die Romantik gemeinsamer Sangeslust wollen alle erleben. Schwule und Lesben singen vielleicht nicht besser als Heteros, aber meistens lustiger.

Sebastian Schneller

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