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Berlin: 100 Minuten Brandauer

Der Beginn des Abends lässt zunächst nichts Gutes ahnen. Drei Mal versucht der österreichische Autor Michael Köhlmeier, den 1500 Zuhörern im ausverkauften Schauspielhaus am Gendarmenmarkt das Leben Sándor Márais näher zu bringen.

Der Beginn des Abends lässt zunächst nichts Gutes ahnen. Drei Mal versucht der österreichische Autor Michael Köhlmeier, den 1500 Zuhörern im ausverkauften Schauspielhaus am Gendarmenmarkt das Leben Sándor Márais näher zu bringen. Drei Mal vergeblich. Die Mikrofon macht einfach nicht mit. Kein Wort über Werk und Wirken des 1900 geborenen und 1989 durch eigene Hand gestorbenen ungarischen Schriftstellers dringt am Montagabend in die oberen Reihen. Die bekunden draufhin lautstark ihren Unmut. Erst mit Köhlmeisers vierten Anlauf sind alle zufrieden. Dennoch denkt man: O Gott, wenn das so weitergeht... Aber so geht es nicht weiter. Im Gegenteil. Es wird immer besser. Von Minute zu Minute. Das ist das Verdienst von Klaus Maria Brandauer. Der österreichische Schauspieler liest aus Márais im Piper Verlag erschienenen, autobiografischen Roman "Die jungen Rebellen". Er liest nicht nur. Brandauer macht aus dem Buch ein Theaterstück. Hauptrolle: Klaus Maria Brandauer, alle Nebenrollen: Klaus Maria Brandauer. (Selbst)Inszenierung: Klaus Maria Brandauer. Je länger man zuhört und zuschaut, desto deutlicher wird: Die Geschichte ist für Brandauer ebenso maßgeschneidert wie sein schwarzer Anzug.

Es geht um die kleine Welt von Abel, der 1918 im ungarischen Kaschau Abitur macht und mit einigen seiner Clique schon bald in den Krieg ziehen wird. Zuvor basteln sie sich aber mit Hilfe des mephistotelischen Schauspielers Amadé Volpay eine eigene Welt. Und Brandauer lässt diese Welt und ihre Protagonisten lebendig werden: Er rollt mit den Augen, fährt sich durch das schüttere Haar, verschränkt die Arme, wippt mal mit dem einen, dann mit dem anderen Bein, verändert seinen Gesichtsausdruck, hebt und senkt die Stimme, schnäuzt ins Taschentuch und seufzt. Ab und zu scheint es den 57-Jährigen kaum auf seinem Sitz zu halten. Während dieser hundert beeindruckenden Minuten unterbrechen ihn nur Maria Magdalena Wiesmaier und ihr Cello. Es sind Brandauers Gesten, die den Abend prägen. Und beenden: Der Österreicher nimmt sein Dankesblumenbukett und wirft es im Parkett galant einer Dame in Lila zu: Noémi Pröhle, der Frau des ungarischen Botschafters.

Danach aber lässt der Star die junge Mutter arg in Not kommen. Gemeinsam mit den Gästen des Empfangs in der ungarischen Botschaft wartet sie auf Brandauer - und denkt dabei an ihre 14 Monate alte Jonka daheim in Dahlem. Erst um 23 Uhr gibt Botschafter Gergely Pröhle das ungarisch-gutbürgerliche Büfett für den Sturm frei - der vergrippte Star war gleich ins Adlon und ins Bett gegangen.

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