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Berlin: 1200 Schulstunden weniger als in Bayern Berlin ist bundesweites Schlusslicht bei der Unterrichtsversorgung

Kein Bundesland bietet seinen Schülern in den ersten neun Schuljahren so wenig Unterricht wie Berlin. Fast 1200 Pflichtstunden trennen die Hauptstadt von den Pisa-Spitzenreitern wie Bayern und Sachsen.

Kein Bundesland bietet seinen Schülern in den ersten neun Schuljahren so wenig Unterricht wie Berlin. Fast 1200 Pflichtstunden trennen die Hauptstadt von den Pisa-Spitzenreitern wie Bayern und Sachsen. Ursache sind die erheblichen Kürzungen zwischen 1990 und 2000, denen auch Mathematik- und Deutschstunden zum Opfer fielen. Fachleute sehen in der schlechten Stundenausstattung allerdings nur eine von mehreren Ursachen für Berlins mäßiges Abschneiden bei Pisa. Der FU-Vizepräsident und Erziehungswissenschaftler Dieter Lenzen fordert verbesserten Unterricht, mehr Leistungsbewusstsein und Qualitätskontrolle.

Wie berichtet, belegten Berlins Gymnasien in den Naturwissenschaften zwar einen mittleren Platz im bundesweiten Pisa-Vergleich. Bei der Lesekompetenz landeten sie aber nur auf Platz 10 und in der Mathematik auf Platz 12. Obwohl diese Platzierung nicht gerade berauschend ist, will sich in der Hauptstadt kaum jemand richtig darüber aufregen. Denn für Berlin lässt sich ins Feld führen, dass die hiesigen Gymnasien ihre Tore am weitesten öffnen und damit mehr schwächere Schüler mitziehen als etwa die bayerischen Gymnasien. Darüber hinaus sind die Berliner Gymnasien viel stärker von der Migrantenproblematik betroffen. Deshalb war nie mit einem Spitzenplatz gerechnet worden und man ist schon froh darüber, dass Berlin vor den anderen Stadtstaaten liegt.

Alle Fachleute sind allerdings davon überzeugt, dass sich Berlin trotz der schwierigen Rahmenbedingungen auf einen besseren Platz vorarbeiten könnte. Ein Ansatzpunkt ist das Aufstocken der Pflichtstunden. „Wer mehr zur Schule geht, lernt auch mehr“, steht etwa für Dieter Marwede, Leiter des Hermann-Hesse-Gymnasiums in Kreuzberg, fest. Es mache schon einen Unterschied, ob die Grundschüler täglich vier Stunden – wie in Berlin – oder fünf Stunden Unterricht wie in Bayern hätten. Außerdem beklagt er, dass in den neunten und zehnten Klassen nur noch drei Stunden Mathematik und Deutsch auf dem Stundenplan steht – genauso viel wie Sport. Gestrichen wurde auch bei Chemie, Physik, Sachkunde , Erdkunde, Biologie und Technik.

Bildungssenator Klaus Böger (SPD) ist jetzt dabei, das Steuer herumzureißen. Nach und nach wird ein Teil der Stundenkürzungen zurückgenommen. Damit allein ist es allerdings nicht getan. Das wissen auch die Schulen. Tausende Lehrer machen sich zurzeit die so genannte Klippert-Methoden zu eigen, um den so genannten Frontalunterricht aufzubrechen. Die Schüler lernen, mehr Eigeninitiative zu entwickeln.

In diese Richtung geht auch FU-Wissenschaftler Lenzen. Er meint, dass der Schlüssel zu einem besseren Schulerfolg in der Unterrichtsqualität liegt. Und er fordert mit Hinweis auf die erfolgreichen skandinavischen Länder die Wende zum „selbstgesteuerten, problemorientierten und kooperativen Lernen“, was dem Klippert-Modell schon sehr nahe kommt. Aber auch damit ist es nicht getan. Immer mehr Schulleiter und auch Lenzen sind sich einig, dass die größten Investitionen und modernsten Methoden wenig nützen, wenn die Qualitätskontrolle fehlt. „Vergleichsarbeiten sind eminent wichtig“, sagt Harald Mier, der das Schadow-Gymnasium und den Verband der Oberstudiendirektoren leitet. Er sagt: „Je mehr die Lehrer in die Pflicht genommen werden, desto mehr nehmen sie die Schüler in die Pflicht“.

Was viele längst vergessen haben: Bis in die 70er Jahre gab es sogar an Grundschulen Vergleichsarbeiten. Daran erinnerte ein Grundschulleiter am Mittwoch auf einer CDU-Diskussion in Zehlendorf. Durch standardisierte Diktate etwa könne man doch sehr schnell feststellen, wo die Schüler berlinweit stehen. Dann würde man auch nicht erst durch Pisa aus allen Wolken fallen. Laut Bögers Sprecher Thomas John ist nicht ausgeschlossen, dass Vergleichsarbeiten auch in der Grundschule eingeführt werden. Susanne Vieth-Entus

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