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Was sich auf dem Kurfürstendamm hinter der Hausnummer 186 verbringt...

© Mike Wolff

125 Jahre Ku'damm (3): Die dunklen Seiten der Ku'damm-Geschichte

Von Kunstskandalen, Morden und Attentaten: Der Ku'damm stand keineswegs allein für Glamour und Luxus.

Welch ein Schauspiel wäre das geworden, welch ein Skandal! Zwei schwarzrot-goldene Kräne auf dem Kurfürstendamm, einen Monat lang täglich acht Stunden in Bewegung, an den Auslegern eine Art riesige, luftgefüllte Kondome. Mitten in West-Berlin ein Duell der Pariser bei gegenseitiger Zerstörung. Doch das symbolkräftige Projekt des Künstlerpaares Edward und Nancy Kienholz für den Skulpturenboulevard zur 750-Jahr-Feier 1987 wurde abgeblasen. Es sei angesichts der innerdeutschen Entspannung und der Aids-Debatte von der „Realität der Stunde“ überholt, befand der Neue Berliner Kunstverein als Veranstalter. Die Künstler fühlten sich missverstanden, hatten, wie sie sagten, bei ihren Ballons gar nicht an Kondome gedacht, blieben aber dennoch auf ihrer Gummihaut sitzen.

Das Vorhaben des Kunstvereins war auch ohne platzende Kondome für viele Skandal genug. Sieben Kunstwerke sollten den Straßenzug schmücken, von der silbernen Stahlskulptur „Berlin“ von Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff auf der Tauentzienstraße bis zu Wolf Vostells „Beton Cadillacs“ auf dem Rathenauplatz. Besonders an den Kunstautos und dem aus übergroßen Absperrgittern montierten Objekt „14.4.1981“ von Olaf Metzel an der Ecke Joachimstaler Straße – der Titel erinnerte an eine Ku’damm-Randale der Hausbesetzer-Ära – entzündete sich der Streit zwischen „Spinnern“ und „Spießern“, wie es damals hieß. Bis in die ZDF-Show „Wetten, dass ...?“, noch mit Frank Elstner, schwappte er, wo der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen sich kritisch zum Boulevard äußerte und prompt Künstlerproteste provozierte. Höhepunkt der Aufregung war eine Betonpyramide mit eingegossenem Trabi, den eine finanzkräftige Stammtischrunde klammheimlich neben die Cadillacs stellen ließ.

Das war eben auch der Kurfürstendamm: Keineswegs stand er allein für Glamour und Luxus, war nicht nur der Hochglanz-Boulevard des Neuen Westens zur Kaiser- und Weimarer Zeit oder das „Schaufenster des Westens“ im Kalten Krieg. Durch die exponierte Lage, seine besondere Rolle war er oft auch Schauplatz für die dunklen Seiten der Geschichte, die Straßenschlachten, Attentate, Morde, Skandale, die nicht immer so harmlos waren wie die Erregung über kuriose Skulpturen oder das wippende Bananenröckchen von Josephine Baker, die ab Januar 1926 im „Nelson-Theater“, Kurfürstendamm 217, gastiert hatte.

Licht und Schatten lagen dicht beieinander, ja, wählten sich bisweilen denselben Ort, etwa die Ecke Kurfürsten-/Nürnberger/Budapester Straße, ehemals Kurfürstendamm 246/247, der anfangs bis zum Landwehrkanal reichte. Erst 1925 gab die frühere Budapester Straße ihren Namen an das östliche Teilstück des Kurfürstendamms ab und wurde selbst nach Friedrich Ebert benannt. An der Ecke gegenüber dem Elefantentor des Zoos war 1911/12 das Hotel Eden entstanden, eines der luxuriösesten der Stadt; Billy Wilder arbeitete dort 1926 zwei Monate als Eintänzer. Am Morgen des 15. Januar 1919 trat das Glitzern der Juwelen in den Hintergrund, der matte Glanz von Waffen dominierte: Im Hotel quartierte sich der Stab der zum Freikorps umgewandelten Garde-Kavallerie-Schützen-Division ein. Gerade war der Spartakusaufstand niedergeschlagen worden, nun suchte man dessen Führer. Noch am Abend des Tages wurden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg in einer Wilmersdorfer Wohnung festgenommen und ins Eden-Hotel verschleppt, verhört, weggebracht und in der Nähe ermordet.

Es blieb nicht die einzige politische Blut- und Gewalttat auf dem Kurfürstendamm. Im Dezember 1930 drangen die gegen den Film „Im Westen nichts Neues“ randalierenden SA-Horden vom Nollendorfplatz weit nach Westen vor, wie der Berliner Gauleiter Joseph Goebbels triumphierte: „Menge rast durch die Schupokette. Parole: Wittenbergplatz. 20- bis 30 000 stehen und harren. Imposant.“ Später formierte sich „der Protestzug. Ohne Ende. Immer mit dem Versuch, an den Kurfürstendamm zu kommen. Am Uhlandeck Vorbeimarsch. Über eine Stunde. In Sechserreihen. Phantastisch! Das hat der Berliner Westen noch nicht gesehen.“ Ein Menetekel: Im September 1931 kam es auf dem Boulevard zu schweren antisemitischen Krawallen der SA, die wiederum eine Vorahnung von den Pogromen des 9. November 1938 vermittelten.

Der Hellseher Hanussen störte diese Gewalttätigkeit nicht, er suchte die Nähe zu den Nationalsozialisten. 1932 bezog er eine mondäne Wohnung am Kurfürstendamm 16, empfing bei Sprechstunden viele Prominente. Am 15. Januar 1933 wechselte er in die Lietzenburger Straße 16. Der an düsteren Episoden reiche Kurfürstendamm wurde so doch nicht die Straße, aus der Hanussen am 24. März in die Polizeikaserne in der Tempelhofer General-Pape-Straße verschleppt wurde: Ort seiner Ermordung.

Dafür standen dem Boulevard andere politisch motivierte Bluttaten bevor, so am 11. April 1968, als Rudi Dutschke vor dem Gebäude 140, Sitz des SDS, vom Gelegenheitsarbeiter Josef Bachmann niedergeschossen wurde. 1979 starb der Studentenführer an den Spätfolgen der Verletzungen. Auch vom internationalen Terrorismus blieb der Kurfürstendamm nicht verschont: Am 25. August 1983 wurde das Maison de France, Hausnummer 211, durch einen Sprengstoffanschlag schwer beschädigt. Ein Mann starb, 23 Menschen wurden verletzt. Hinter dem Attentat stand der Top-Terrorist Carlos, der eher private Motive verfolgte: Er wollte die Haft seine Freundin in Frankreich rächen.

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