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Auffällig unauffällig. Was hier Autos vor dem Regen schützt, war einst die Überdachung der Grenzkontrollanlagen an der Bornholmer Straße.

© Doris Spiekermann-Klaas

13. August 1961: Berliner Mauersouvenir XXL

Das Dach der ehemaligen DDR-Grenzkontrollstelle an der Bornholmer Straße hat auf einem Gewerbehof überdauert. Kaum jemand interessierte sich bisher für das sperrige Originalteil. Nun muss es weg.

Das Elastedach ist stark verschmutzt. Die tonnenförmigen Elemente lassen kaum noch Licht durch. Eines der Fallrohre ist leckgeschlagen, aber die sieben Original-DDR-Hofleuchten scheinen intakt. Früher leuchteten sie verängstigten Westdeutschen ins Gesicht.

Die Überdachung der ehemaligen Grenzkontrollanlagen an der Bornholmer Straße hat die Abrisswut der Nachwendejahre unbeschadet überstanden. Die Bewag soll das Dach schon Anfang der neunziger Jahre erworben haben, um es als XXL-Carport auf dem Hof des Umspannwerks in der Marienburger Straße 16 in Prenzlauer Berg aufzustellen. Dort schützt es seitdem zuverlässig vor Regen, weitgehend unbehelligt von der Öffentlichkeit.

Bösebrücke zwischen Wedding und Prenzlauer Berg

Der Grenzübergang Bornholmer Straße an der Bösebrücke markiert nicht nur den Beginn des Mauerfalls, hier strömten am Abend des 9. November 1989 die ersten Ost-Berliner nach West-Berlin. Auch für den Mauerbau 1961 war die Bösebrücke zwischen Wedding und Prenzlauer Berg ein markanter Punkt. Hier kappte der Grenzverlauf die S-Bahntrasse zwischen Pankow und Gesundbrunnen sowie die Ringbahn. Sofort wurde mit dem Bau neuer Gleise begonnen, um Pankow an den Ostring anzuschließen, es entstand die sogenannte „Ulbricht-Kurve“ zwischen Pankow und Schönhauser Allee. Um sie abzuschotten, mussten zusätzliche Mauern gezogen werden.

Das Dach aus Stahlträgern - ein seltenes Originalstück des Grenzübergangs

Die Bornholmer Straße war einer der Grenzübergänge exklusiv für Westdeutsche auf dem Weg nach Ost-Berlin. Der Kontrollbereich entstand vor der Brücke, etwas nach Süden versetzt. Das Dach erleichterte die Arbeit der Grenzkontrolleure. Es besteht aus soliden Stahlträgern, die zwölf gewölbte Kunststoffelemente tragen. Die Konstruktion ist 35 Meter lang und fünf Meter hoch, für den privaten Gebrauch also etwas unhandlich. Das Dach ist eines der wenigen Originalstücke aus dem ehemaligen Grenzübergang. Vor Ort ist neben dem Postenweg, einigen Laternen, der Hinterlandmauer und Straßenmarkierungen fast nichts mehr erhalten. Auf dem Grundstück der ehemaligen Kontrollbaracken steht jetzt ein Lidl-Markt.

Wir wollen da durch. Im November 1989 war die Grenze schon offen – das Dach aber noch an Ort und Stelle.
Wir wollen da durch. Im November 1989 war die Grenze schon offen – das Dach aber noch an Ort und Stelle.

© dpa

Das Bewag-Umspannwerk ist längst stillgelegt und zu einem Gewerbehof für Druckereien umgebaut. Der Grenzkontroll-Carport überwölbt zwei Dutzend Privatautos und einige Paletten Pappe und Papier. Niemand nimmt ihn weiter wichtig. Nachfragen erzeugen höchstens ein Schulterzucken. Zuständig sei die Grundstücksgesellschaft Marienburger 16 – aber dort ist man mit anderen Dingen beschäftigt. Fragen zur Dachhistorie könnten leider nicht beantwortet werden.

Ein sperriges, aber einzigartiges Mauerrelikt

Klar ist, das Dach muss bald verschwinden, weil auf dem Grundstück gebaut werden soll. Vor zwei Jahren wurde es auf Ebay zum Verkauf angeboten, aber der kam offensichtlich nicht zustande. Der historische Wert des Daches ist schwer zu beziffern. Günter Schlusche von der Stiftung Berliner Mauer kennt das Bauteil, bewertet es aber nicht als entscheidend für das Verständnis der Grenzsicherung. „Wir haben kein Interesse, es zu erwerben.“ Man würde allerdings schon gerne wissen, in wessen Hände das Dach künftig gerät.

Klar ist auch, dass es sich um ein zwar recht sperriges, aber einzigartiges Mauerrelikt handelt. Gibt man die einschlägigen Stichworte ein, bietet Ebay zunächst die üblichen Devotionalien an: Betonbrocken, bemalt, mit und ohne Zertifikat, Dienststempel und jede Menge Fotos. Herausragend sind nur ein Mauer-Segment aus Spandau, „Top Zustand“, für rund 7000 Euro und ein Original-Wachturm aus Schöneiche für nur 3000 Euro (derzeit 134 Beobachter).

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