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Berlin: 140 Sozialfälle je Sachbearbeiter

Schöneberg-Tempelhof. Sozialhilfeempfänger haben Zeit.

Schöneberg-Tempelhof. Sozialhilfeempfänger haben Zeit. Viel Zeit. Die benötigen sie auch. Jedenfalls wenn sie im Sozialamt Tempelhof-Schöneberg vorsprechen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. „Bis zu sieben Stunden habe ich dort schon gewartet“, sagt Bernd B., ehemals selbstständiger Mediendesigner, dem der Einbruch der new economy zum beruflichen Verhängnis wurde. „Eine qualifizierte Beratung habe ich im Amt auch nicht erhalten“, berichtet der 47-Jährige, der sich für eine Weiterbildung interessiert und schon selbst Schulen recherchiert hatte. Das können die Mitarbeiter des Sozialamtes derzeit offenbar schwer leisten: Die „Fallzahl“ liegt bei 140 je Sachbearbeiter. Zudem ist der Krankenstand im Amt hoch. So steigt die Fallzahl noch.

Deshalb haben mehrere Arbeitsgruppen des Sozialamtes mit so genannten Überlastungsanzeigen um Unterstützung gebeten. Das allerdings schon im Januar, Februar, März und Mai. Getan hat sich seither offenbar nicht viel. „Erst jetzt wurden Aushilfskräfte zur Verfügung gestellt“, sagt SPD-Verordneter und Vorsitzender des Sozialausschusses Ingo Nürnberger. Deshalb beschäftigte dieses Thema gestern Abend auch die Bezirksverordneten-Versammlung. Mehrere Anfragen und Anträge der Fraktionen von SPD und PDS beschäftigten sich mit der Situation im Sozialamt. Baustadtrat Gerhard Lawrentz (CDU), der den erkrankten Sozialstadtrat Bernd Krömer (CDU) vertritt, begründet die Misere so: „Wir hatten es mit einer unglücklichen Situation zu tun. In einer Arbeitsgruppe waren von zehn Kollegen sieben dauerhaft erkrankt. Wir haben einfach zu wenig Personal.“ Zweifel gibt es offenbar auch, ob die im Dezember vollzogene Umstrukturierung des Amtes effizient ist. „Die Aktion wurde übers Knie gebrochen. Krömer hat nicht auf Warnungen und Ratschläge der Mitarbeiter und des Ausschusses gehört“, kritisiert Nürnberger. „Die Zustände im Sozialamt sind gesetzwidrig“, pflichtet PDS-Verordneter Gert Julius ihm bei. Bernd B., Kunde des Amtes, berichtet von Beratungen, die auf dem Flur stattfanden: „Ich musste mir die Lebensgeschichte anderer Hilfeempfänger anhören. Das ignoriert jeden Datenschutz.“ Kerstin Heidecke

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