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Berlin: 15 Banker auf einer Anklagebank

Am Freitag beginnt der Prozess gegen Landowsky und seine Kollegen von der Berlin Hyp

Es wird der wohl größte Wirtschaftsprozess der deutschen Nachkriegsgeschichte: 14 frühere Bankmanager müssen sich ab kommenden Freitag für ihre Geschäfte in den 90er Jahren verantworten. Ihnen wird in der Affäre um zweifelhafte Kredite für die Immobilienfirma Aubis Untreue in besonders schwerem Fall vorgeworfen; ein Abteilungsleiter soll dabei Beihilfe geleistet haben. Der Prozess hat gute Chancen, Justizgeschichte zu schreiben – und das gleich in mehrfacher Hinsicht.

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Die Beschuldigten. Es wird eng auf der Anklagebank, auch wenn der Saal 700 der größte ist, den das Moabiter Kriminalgericht zu bieten hat. Denn die meisten der 15 Angeklagten werden mit jeweils zwei Verteidigern aufmarschieren – je einem Strafrechts- und einem Zivilrechtsexperten. Besondere Aufmerksamkeit des Publikums dürfte dem früheren Berliner CDU-Fraktionschef und Vorstand der Berlin Hyp Klaus Landowsky zuteil werden. Zu den Angeklagten gehören auch die früheren Chefs der Bankgesellschaft Wolfgang Steinriede und Wolfgang Rupf (siehe Grafik). Für die insgesamt acht ehemaligen Vorstandsmitglieder der Berlin Hyp und sechs teils nicht mehr aktiven Aufsichtsratsmitglieder will das Gericht eine gleichbleibende Sitzordnung im Saal festlegen. Es ist unwahrscheinlich, dass in einem Prozess jemals so viele Lebensjahre auf der Anklagebank zusammengekommen sind: Die meisten der Beschuldigten sind Ende 60, der älteste 71. Fraglich ist, ob alle den Strapazen des Prozesses gewachsen sein werden oder ob das Verfahren gegen einige Banker aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt werden muss. Knapp die Hälfte der Betroffenen muss zweimal in der Woche aus Westdeutschland anreisen. Zügig abhandeln wird man allein den Registerauszug: Keiner der Manager ist vorbestraft.

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Das Gericht. Viel Bewegungsfreiheit wird es auch für die Richter nicht geben. „Sechs bis sieben laufende Meter“ Akten und diverse Leitz-Ordner werden nach den Angaben eines Justizsprechers hinter der Richterbank aufgereiht sein. Zum Gericht gehören drei Berufsrichter und zwei Schöffen. In der zweiten Reihe nehmen noch drei Ergänzungsschöffen und ein Ergänzungsrichter Platz – sie springen im Krankheitsfall ein. Der Vorsitzende Richter heißt Josef Hoch (45). Der Jurist hat im SED-Politbüro-Prozess die Urteile über Krenz, Schabowski und Kleiber gesprochen. Auch in dem Verfahren gegen mutmaßlich korrupte Dekra-Prüfer führte Hoch den Vorsitz. Auf der anderen Seite war es seine Strafkammer, die es ablehnte, den Prozess gegen Ex-Stadtentwicklungssenator Peter Strieder und Finanzsenator Thilo Sarrazin (beide SPD) wegen der Affäre um das Tempodrom zu eröffnen. Für den Verhandlungstag am Freitag hat Richter Hoch einen übersichtlichen Fahrplan zusammengestellt: Erst befragt das Gericht die Angeklagten, ob sie sich persönlich äußern möchten, dann wird die Anklage verlesen.

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Die Anklage. Die Staatsanwaltschaft schickt zwei Vertreter ins Rennen: Vera Junker und Thomas Gritscher, beide 44 Jahre alt. Oberstaatsanwalt Gritscher gehört seit Jahren in der „Ermittlungsgruppe Bankgesellschaft“ zu den leitenden Mitarbeitern. Vera Junker gilt als Expertin im Wirtschaftsstrafrecht. Die gebürtige Westfalin hat die 753-seitige Anklage verfasst. Junker arbeitet seit 1991 in Berlin, seit 1999 ist sie die Vorsitzende der Vereinigung Berliner Staatsanwälte. Verlesen müssen die Ankläger nur den Anklagesatz: also Personalien der Beschuldigten plus etwa 40 Seiten.

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Der Vorwurf. Die Beschuldigten sollen laut Anklage für die Vergabe unzureichend gesicherter Kredite von rund 470 Millionen D-Mark an die Immobilienfirma Aubis verantwortlich sein. Mit Hilfe der Berlin Hyp hatte Aubis in den 90er Jahren Plattenbau-Siedlungen in Ostdeutschland gekauft. Nach Ansicht der Ermittler wurde nicht nur gegen Gesetze verstoßen. Es seien veraltete Unterlagen verwendet und Risiken nicht berücksichtigt worden. Insgesamt soll dem Vermögen der Berlin Hyp, einer Tochter der landeseigenen Bankgesellschaft, eine Gefährdung in Höhe von 153 Millionen D-Mark entstanden sein. Die Angeklagten haben bislang zu den Vorwürfen geschwiegen oder sie bestritten. Schwierig dürfte es werden, den Angeklagten, von denen sich keiner persönlich bereichert hat, den Vorsatz nachzuweisen.

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Die Verteidiger. 30 Stühle im Gericht sind für die Anwälte reserviert. Vertreten sind Kanzleien mit bundesweitem Ruf und Berliner Verteidigergrößen wie beispielsweise Alexander Ignor, Robert Unger und Anke Müller-Jacobsen. Untereinander werden sich die Verteidiger vermutlich wie Pokerspieler beobachten, denn die Reihen stehen alles andere als geschlossen da. So vertreten die Aufsichtsräte die Auffassung, dass sie keinen Anlass gehabt hätten, den Kredit-Beschluss des Vorstandes in Frage zu stellen. Ex-Berlin-Hyp-Chef Landowsky hingegen meint, dass er sich auf das Urteil der drei zuständigen Vorstandsmitglieder verlassen musste – was diese wiederum nicht auf sich sitzen lassen. Einen gemeinsamen Nenner gibt es: Alle Verteidiger fordern Freispruch und behaupten, der Prozess sei ein „politisch motivierter Feldzug“ der Anklage. Dass sich Staatsanwältin Junker in der SPD und bei der „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen“ engagiert, dürfte den Verteidiger in ihrer Argumentation zupass kommen.

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Der Zeitplan. Die 36. Strafkammer hat bereits Termine bis zum Frühjahr 2006 festgelegt, getagt wird immer mittwochs und freitags. Prozessbeobachter rechnen aber mit einem weit längeren – und damit auch i mmens kostspieligen – Verfahren. Für die Erklärungen der Angeklagten hat das Gericht zwei Prozesstage geplant. Offen ist, wann die Aubis-Manager Wienhold und Neuling als Zeugen aussagen. Deren 40000-D-Mark-Spende an die Berliner CDU, die zusammen mit den umstrittenen Krediten der Bankgesellschaft den größten Finanzskandal der Berliner Nachkriegsgeschichte ausgelöst hatte, spielt bei dem Verfahren keine Rolle.

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Das Publikum. Für die Zuschauer gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Der Prozess beginnt am Freitag um 9 Uhr in der Turmstraße 91, Saal 700. Es ist damit zu rechnen, dass sich die Anhänger der „Initiative Berliner Bankenskandal“ bereits zeitig vor dem Gericht einfinden werden. Die Plätze auf den Zuschauerbänken bleiben begrenzt: 40 Sitze sind für akkreditierte Journalisten reserviert, knapp 70 bleiben fürs Publikum. Wer beim bislang größten Prozess zum Berliner Bankenskandal dabei sein will, muss einen gültigen Ausweis mitbringen.

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