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Im wieder sterben Fußgänger im Straßenverkehr. Oft sind Autofahrer dabei zu schnell unterwegs.

© Marius Becker/dpa

200 Euro Strafe für Tod eines Kindes: Fall wird vor Gericht neu aufgerollt

Er fuhr zu schnell auf der Busspur und erfasste ein Kind, das bei Rot einfach losrannte. Der Junge starb. Der Fahrer steht erneut vor Gericht.

Von Fatina Keilani

Ein Kind totgefahren und nur 200 Euro Geldstrafe – dieser Fall erhitzte die Gemüter im Sommer. Zu 40 Tagessätzen hatte das Amtsgericht einen damals 23-jährigen Studenten verurteilt, der einen Stau auf der Busspur umfuhr und einen Vierjährigen totfuhr, der einfach losgerannt war. Viel zu mild fanden viele das Urteil. Jetzt wird der Fall neu verhandelt - nicht nur die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt, auch der Autofahrer.

Die Staatsanwaltschaft hatte 70 Tagessätze gefordert, was insgesamt 350 Euro Geldstrafe ergeben hätte, da der Student kein Einkommen hat und der Tagessatz daher auf fünf Euro festgesetzt wurde. Vorbestraft ist man ab 90 Tagessätzen – diese Schwelle sahen also nicht einmal die Ankläger erreicht. An diesem Freitag beginnt die Berufungsverhandlung wegen fahrlässiger Tötung vor einer kleinen Strafkammer des Landgerichts.

Der damalige Architekturstudent fuhr am 19. Oktober 2017 auf der Romain-Rolland-Straße Richtung Pankow, der Verkehr staute sich, die Busspur war frei. Da der Angeklagte nach 70 bis 100 Metern nach rechts abbiegen wollte, entschloss er sich, das kurze Stück auf der Busspur zu fahren. Er scherte aus, beschleunigte, er war zu schnell, da kam von links das Kind angerannt, er bremste und wich nach rechts aus, doch sein linker Außenspiegel erfasste das Kind. Der Junge starb zwei Wochen später im Krankenhaus an Schädel-Hirn-Trauma. Eine Dashcam zeichnete den Unfall auf.

Der Mann leidet sehr unter seiner Tat

Fehler zu machen, reicht aber nicht. Der Fehler muss auch kausal für Unfall und Tod des Jungen sein. Hätte sich der Unfall bei regelkonformem Verhalten vermeiden lassen? Laut Gutachter nicht. Erlaubt waren auf der Busspur 50 km/h, der Unfallfahrer fuhr schneller. „Auch bei Tempo 50 wäre der Unfall nicht vermeidbar gewesen“, hatte der Gutachter jedoch festgestellt. Lediglich bei Tempo 30 wäre er vermieden worden.

Das Gericht sah hier trotzdem insoweit einen Pflichtverstoß, als der Fahrer seine Geschwindigkeit nicht angepasst hatte wie von der Straßenverkehrsordnung verlangt. Hier war Stau, der Angeklagte hätte langsamer fahren sollen.

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Der Junge und seine Mutter standen auf der Mittelinsel des Fußgängerübergangs. Das Gericht hörte viele Zeugen. Aus den Aussagen ergab sich: Die Mutter hatte den Jungen nicht an der Hand. Sie zog mit einer Hand einen Einkaufstrolley, mit der anderen trug sie eine Tüte. Der Junge hielt sich nicht am Trolley fest. „Das Kind kann nichts dafür, es lief bei Rot auf die Straße – da muss man auch der Mutter einen Vorwurf machen“, so das Gericht.

Die Schuld des Fahrers wurde als gering bewertet. Er hat keine Vorstrafen und auch keine Verkehrsverstöße begangen, er leidet psychisch stark unter der Tat. Aus Sicht des Gerichts ist der Mann auch dadurch gestraft. Auch vor Gericht weinte er immer wieder. Zeugen hatten zudem ausgesagt, er sei nach dem Unfall sofort ausgestiegen und zu dem Kind gerannt, um zu helfen, er selbst habe am ganzen Leib gezittert. Das Gericht muss den Fall nun erneut bewerten und sich ein Urteil über die Schuld des Angeklagten bilden.

Eine Analyse aus juristischer Sicht lesen Sie hier.

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