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Helma Walker und Jürgen Sperwien sind seit Langem ein berufliches Team.

© Kai-Uwe Heinrich

25 Jahre Deutsche Einheit: Eisenbahner kennen keine Grenzen

Die Bahn-Kollegen  Helma Walker (Ost) und Jürgen Sperwien (West) kamen auf sehr verschiedenen Wegen zum gleichen Ziel. Reichsbahner und Bundesbahner waren schon immer aufeinander angewiesen.

Bei der Bahn sei Ost-West nie das große Thema gewesen, sagt Helma Walker, und Jürgen Sperwien hat ihren Worten nichts hinzuzufügen, weil es ja stimmt, was sie sagt. So ist das, wenn man die beiden in dem neuem Bürogebäude am Nordbahnhof trifft. Helma Walker, quirlig, fröhlich, spricht, und Jürgen Sperwien, bedächtig, zurückhaltend, hört erst mal zu. Die 48-Jährige stammt aus der Nähe von Pasewalk in Vorpommern, ihr 57-jähriger Kollege aus Niedersachsen. Sie war nie Jammer-Ossi, er nie Besser-Wessi.

Abteilung Schadensabwicklung für Güterwaggons

Als sie 1999 in dieselbe Abteilung kamen, Schadensabwicklung für Güterwaggons, mussten beide dazulernen. „Ein völlig neues Arbeitsgebiet“, sagt Sperwien. Gemeinsam fuhren sie zur Einarbeitung nach Mainz, für beide unbekanntes Terrain. Abends, beim Glas Wein, war Zeit, sich zu beschnuppern.

Geografisch und auch von der Mentalität her lagen Bundesbahn und Reichsbahn nie weit auseinander. Man könnte sogar sagen, dass sie in gewisser Weise verbunden waren, wie das beim Schienennetz eben ist. Zumal in Berlin, wo DDR-Reichsbahner noch zu Mauerzeiten mit den S-Bahnen durch den Westen rumpelten und später die West-BVG mit denselben Waggons den Job übernahm. Sperwien, seit 40 Jahren Eisenbahner, erinnert sich noch an seine Zeit auf dem Güterbahnhof an der Möckernstraße, dem heutigen Gleisdreieck-Park. Bis 1991 saß er dort mit seinen Bundesbahn-Kollegen, um Stückgutcontainer abzufertigen. Nebenan saßen die Kollegen Reichsbahner. Einmal in der Woche fuhr ein ranghoher Reichsbahner im blau qualmenden Wartburg vor, um die „Verkehrseinnahmen“ abzuholen, wertvolle D-Mark-Devisen.

Eine große Bahnerfamilie, die sich überall versteht

Trotz der Trennung waren die Eisenbahner Ost und West einander zugetan – eine große Familie, in der man die gleiche Sprache spricht, sich blind versteht und die Politik außen vor bleibt, damit man nicht am Ende noch im Streit auseinandergeht. Sperwien wusste schon immer, dass er zur Bahn wollte, bei seiner Kollegin war der Grund eher ihr Unwille, in die Landwirtschaft zu gehen. Weil sie keine Lehrstelle vorweisen konnte, wurden Eltern und Tochter zur SED-Bezirksleitung vorgeladen. Anschließend erfolgte die „Zuweisung“ ins Bahnbetriebswerk Pasewalk, dort fühlte sie sich schnell heimisch. Die SED ließ Walker sogar zweimal zur Verwandtschaft nach West-Berlin reisen.

Und der 3. Oktober 1990? „War nicht so wichtig“, sagt Sperwien. Walker wollte mit ihrem Mann die Vereinigung feiern, hatte den Sekt kalt gestellt, sehr kalt, ins Gefrierfach. Bis die Flasche platzte.

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