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Selbst Wolmirstedt (Sachsen-Anhalt) hat eine.

© dpa

3. Oktober: Eine Straße der Einheit für Berlin - aber welche?

Es gibt eine Reichsstraße und einen Europaplatz, aber keinen Ort der Wiedervereinigung. Dabei könnte man einige Adressen einfach umbenennen. Fünf Vorschläge.

An Tagen wie diesen fällt es besonders schmerzlich auf: Die Deutsche Einheit hat keinen Ort in Berlin. Natürlich, wir friedlichen Verfassungspatrioten tragen sie in unseren Herzen, das Gefühl der Zusammengehörigkeit vereint uns geschwisterlich in Ost und West, da lassen wir uns nie wieder spalten, schon gar nicht von einem Haufen völkischer Krakeeler. Aber in der Hauptstadt hat die Deutsche Einheit keine feste Adresse. Kein Platz, kein Boulevard ist ihr gewidmet, nicht mal ein kleiner Pfad in einer Kleingartensiedlung – auch das würde zu einer bescheidenen Nation wie der unsrigen passen.

Die Einheit wäre weiblich ...

Es gibt einen Platz der Vereinten Nationen, einen Europaplatz, sogar eine Reichsstraße, den Platz des 18.März im Gedenken an Revolution (1848) und erster freier Volkskammerwahl (1990). Nur die Einheit wurde bisher auf kein Straßenschild gehoben. An mangelnder Gelegenheit kann es nicht liegen: Rund 10.000 Straßen, Plätze und Wege zählt Berlin. Da muss doch was gehen, 27 Jahre nach der Vereinigung wäre es höchste Zeit. Auch dass in einigen Berliner Bezirken Straßen und Plätze bevorzugt nach Frauen benannt werden, kann kein Hindernis sein. Schließlich ist sie weiblich: die Deutsche Einheit.

Wir haben uns, in Vorfeiertagsstimmung, Gedanken gemacht, welche Adressen für eine Umbenennung infrage kämen:

Platz der Einheit? Mit der Einheitswippe vorm Schloss?
Platz der Einheit? Mit der Einheitswippe vorm Schloss?

© picture alliance / dpa

Vorschlag 1 - SCHLOSSPLATZ
Eine naheliegende Wahl: zentrale Lage, historisch bedeutend, angemessen würdevoll in Nachbarschaft von Weltkulturerbe (Museumsinsel) und künftigem Humboldtforum im Barockgewand des neu errichteten Hohenzollernschlosses. Passend zum Platz der Deutschen Einheit wogt das Volk dann demokratisch auf der Einheitswippe, das auf dem Fundament des alten Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals entstehen soll. Schwer beladen. Für einen Platz der Deutschen Einheit schwingt an dieser Stelle vielleicht zu viel Geist von anno 70/71 mit. Schauen wir lieber weiter.

Allee der Einheit statt Karl-Marx-Allee?
Allee der Einheit statt Karl-Marx-Allee?

© Doris Klaas

Vorschlag 2 - KARL-MARX-ALLEE
Eine Allee der Deutschen Einheit, flankiert von der Zuckerbäckerpracht der Stalin-Zeit. Nicht die schlechteste Symbol-Kulisse für die Überwindung eines totalitären Regimes durch den Druck friedlicher Demonstranten. Die Karl-Marx-Allee hat die richtige Größe, liegt im Osten der Stadt, quasi in der Wiege der Wende, die die Mauer zum Einsturz und das geteilte Volk glücklich vereinte. Eine Umbenennung dürfte jedoch erbitterten Widerstand bei Altbewohnern und Linken provozieren, die an ihrer traditionellen Gedenkmarsch-Strecke für Rosa und Karl sicher nicht kampflos auf Marx verzichten werden. Bloß keine Befindlichkeiten verletzten. Wir wollen doch ein Zeichen der Versöhnung setzen. Also, rüber in den Westen.

Kaiserdamm - oder Einheitsdamm?
Kaiserdamm - oder Einheitsdamm?

© imago stock&people

Vorschlag 3 - KAISERDAMM/HINDENBURGDAMM
Schließlich gibt es hier auch noch ein paar Altlasten. Wie wäre es mit dem Kaiserdamm? Schwierig. Vor 50 Jahren gab es Proteste gegen die Umbenennung eines Teilstücks in Adenauerdamm, die daraufhin zurückgenommen wurde. Lassen wir den Charlottenburgern also den Kaiser. In Steglitz hätten wir noch den Hindenburgdamm, wie das brennende Luftschiff benannt nach Paul von Hindenburg, den Älteren bekannt als Held von Tannenberg und Generalfeldmarschall, den Jüngeren als Reichspräsident und Steigbügelhalter. Aber würde ein „Damm der Deutschen Einheit“ draußen in der Peripherie unserem Anliegen gerecht?

Oder doch lieber Einheitsstraße?
Oder doch lieber Einheitsstraße?

© imago stock&people

Vorschlag 4 - RUDI-DUTSCHKE-STRASSE
Nein, die Einheit drängt ins Zentrum. Ein Kollege mit klarer Haltung gegen jede Form von Gewalt im politischen Diskurs, schlägt vor, den Studentenführer (ohnehin keine Frau) in Kreuzberg zu streichen. Das wäre wohl ebenfalls konfliktträchtig und würde die Straße spalten, der Axel-Springer-Verlag wäre sofort dafür, die „taz“ – einen Steinwurf entfernt – strikt dagegen.

Ist das jetzt der Europa- oder Washingtonplatz (und warum heißt der noch mal so?)
Ist das jetzt der Europa- oder Washingtonplatz (und warum heißt der noch mal so?)

© imago/Westend61

Vorschlag 5 - WASHINGTONPLATZ
Mittendrin im Dreieck zwischen Hauptbahnhof, Kanzleramt und Bundestag: der Washingtonplatz, hier treffen sich täglich das reisende Volk und die Mächtigen der Republik und knüpfen ihr Band des Bundes. Der Zeitpunkt ist günstig, die transatlantischen Beziehungen dank des amtierenden Halodris in Weißen Haus gerade derart belastet, dass zwei, drei übellaunige Trump-Tweets als Reaktion auf die Umbenennung nicht weiter ins Gewicht fallen. Das Bezirksamt Mitte sollte schnell handeln, bevor die Amis ihren Präsidenten aus dem Amt jagen. Es lebe der Platz der Deutschen Einheit.

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Und jetzt Sie! Welche Straße, welcher Platz sollte umbenannt werden und warum?

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