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Immer der, der fragt. Beim 35. Deutschlandpokal der Skat-Spieler waren ruhige Hände gefragt - und ein lockeres Mundwerk.

© dpa

35. Deutschlandpokal in Berlin: Beim Skat kommt kein Blatt vor den Mund

Beim Skat-Deutschlandpokal werden nicht nur Karten, sondern auch eine Menge Sprüche geklopft.

Die Teams heißen Reizende Damen, Lausbuben, Einfach Karo oder Not gegen Elend: 671 Spielerinnen und Spieler spielten am Sonnabend im Hotel Maritim an der Friedrichstraße den 35. Deutschlandpokal aus. Skat ist, und darauf legt Peter Tripmaker, Präsident des Deutschen Skatverbands, nachdrücklichen Wert, ein Denksport und ein Geschicklichkeitsspiel. „Mit Glück hat das sehr wenig zu tun.“

Er vergleicht sein Spiel lieber mit Schach. Fragt man in die Runde der Spieler, so heißt es: „80 Prozent sind Können, 20 Prozent ein günstiges Blatt.“ Bei einem Bombenblatt, vier Buben und vier Asse etwa, kann man nichts falsch machen, „das bringt die Oma blind mit Fausthandschuhen nach Hause“. Ebenso die Herzflöte, doch die muss man erstmal in die Finger bekommen. Auf lange Sicht entscheiden Erfahrung, Übersicht, ein guter Schlachtplan und Geistesgegenwart.

Die hatte dieses Jahr offenbar am meisten Andree Perleberg aus Nordrhein-Westfalen mitgebracht - er gewann das Turnier.

In Deutschland spielen noch etwa 15 Millionen Menschen Skat, davon sind 22 000 organisiert in Vereinen. Das urdeutsche Spiel lebt vor allem von den Sprüchen, die mit den Karten über den Tisch fliegen. Dauert das Kartenmischen zu lang, heißt es: „Hat sich schon mal einer totgemischt!“ Man möchte gereizt werden: „Ich hör’ nichts!“ Wer den Skat aufnimmt, versichert: „Der Skat brüllt!“ Und wer kommt raus? „Immer der, der fragt.“ Zu jeder Spielsituation gibt es eine Redewendung, und manche dieser Sprüche sind längst alltäglich.

Konzentrierte Stille und das Klatschen der Karten

Bei einem seriösen Turnier wie diesem versteht sich von selbst, dass „Kartenverrat“ ausgeschlossen ist. Also keine hintergründigen Bemerkungen, die dem Mitspieler zu verstehen geben, wie es ums eigene Blatt steht. „Mir tut das Herz weh“ heißt: „Ich habe keine Herzfarben“. Eine schmerzverzerrte Miene mit dem Hinweis: „Ach, diese Rückenschmerzen“ lässt wissen: „Ich hab kein Kreuz“.

Bei Kartenverrat fällt das Blatt sofort auf den Tisch, der Schiedsrichter wird gerufen, da gibt es beim Skat kein Pardon. Deshalb herrscht bei den meisten Spielen im riesigen Saal an der Friedrichstraße eine konzentrierte Stille, nur unterbrochen vom Klatschen der Karten. Andererseits lässt sich auch vom jovialen Schwung, mit dem eine blanke Zehn in den Stich geknallt wird, auf das Vertrauen des Spielers in sein Blatt schließen.

Das natürliche Habitat der Skatspieler ist aber nicht der Hotelsaal, sondern die Eckkneipe, der Stammtisch nebst Bier und Zigaretten. Auch jetzt beim Deutschlandpokal dominieren die Lederwesten und rustikalen Schnauzbärte. Hier ein Fußballtrikot mit Özil-Aufdruck, drüben liegen tätowierte Unterarme auf dem Tisch.

In den Pausen ist die Raucherecke überfüllt, dann wird nachgekartet: „Du spielst wie meine tote Tante Else.“ In die gleiche Richtung geht der süffisante Hinweis: „Es gibt so schöne Brettspiele!“ Der andere hebt entschuldigend die Schultern: „Ich hatte von jedem Dorf einen Köter.“ Oder eben „Aristokratenpack“, also ein Blatt voller Könige und Damen.

Hochschulprofessor gegen Hartz-IV-Empfänger

Skat ist auch ein Kampfspiel, jeder hier will gewinnen, es geht stets um die magische Grenze der sechzig Punkte. „Arsch gespalten!“, freuen sich die Gegenspieler, wenn der Spielmacher genau auf 60 Punkte kommt und damit verliert. „Kurz vor dem Klo in die Hose gegangen“, murrt ein anderer und saugt mit zitternden Fingern an der Zigarette.

Verbandspräsident Tripmaker ist stolz darauf, dass „wir beim Skat gesellschaftliche Barrieren niederreißen“. Hier spiele der Hochschulprofessor mit einem Hartz-IV-Empfänger, der Handwerker mit der Sachbearbeiterin vom Finanzamt. Zudem lerne man beim Skat Kopfrechnen. Deshalb werde Skat auch in Schulen angeboten. Das ändert jedoch nichts an den Nachwuchssorgen des Verbandes. Die jungen Leute zocken vornehmlich Videospiele oder Poker, und auch der Trend zum Online-Skatspielen erfreut Peter Tripmaker nicht.

In die Männerwelt des Skatspiels dringen zunehmend auch Frauen ein, erzählt Pressereferentin Ute Modrow. „Vor dreißig Jahren wurden wir kaum akzeptiert, heute fürchten sich die Männer vor uns.“ Sie hat das Spiel in der Kneipe ihrer Eltern gelernt, indem sie den Spielern über die Schulter schaute. Als sie selbst das Blatt in die Hand nahm, wurde sie von den Männern belächelt, jetzt aber „sind sie voller Ehrfurcht“. Frauen spielen ihrer Erfahrung nach etwas ausgeglichener als Männer.

Doch auch sie kennt natürlich die Nächte nach einem solchen Turnier, wenn man nicht einschlafen kann, sondern stundenlang wach liegt und die Partien noch mal durchgeht: „Hätte ich die Kreuzsieben nicht gedrückt! Hätte ich doch mit der Dame gestochen! Wäre ich mal lieber über die Dörfer gegangen!“

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