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Im Westen viel Neues: Der erste Flächennutzungsplan für West-Berlin vom 30. Juli 1965 zeigte noch mehrere Flughäfen und viele Autotrassen.

© Repro: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

50 Jahre Flächennutzungsplan: Ein Blick in die bunte Seele Berlins

Sie sollen die unkalkulierbare Stadt planbar machen: Seit 50 Jahren zeigen Flächennutzungspläne Berlins Visionen. Erst waren sie autogerecht, nun sind Gewerbe und Grünflächen gefragt. Der Osten gehörte seit jeher dazu.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlin ist mittlerweile größer geworden – so groß wie es schon immer war, nur nicht auf der Stadtkarte. Und vielfältiger, wie sich an den vielen Farben erkennen lässt. Ein Blick auf die Pläne der Stadt ist auch ein Blick in ihre Seele. Denn Berlin, so unplanbar diese Metropole auch ist, wird nach Plan geplant. Nach Flächennutzungsplan genauer gesagt – denn den gibt es seit genau 50 Jahren.

Als vor einem halben Jahrhundert der erste Flächennutzungsplan (FNP) nach dem Mauerbau aufgestellt wurde, musste sich der Senat bei der weiteren Entwicklung der frisch geteilten Stadt zwangsläufig auf die Westhälfte Berlins beschränken. Berlin (Ost), Hauptstadt der DDR, wurde zum weißen Fleck. Stacheldraht, Mauer und Minenfelder trennten nicht nur die Menschen voneinander, sondern auch die Verkehrssysteme, und das historische Stadtzentrum wurde dem gestalterischen Einflussbereich von Senat und Abgeordnetenhaus vorerst entzogen.

Die Stadtentwickler im Westen Berlins reagierten pragmatisch auf die neue Lage. Aus heutiger Sicht geprägt von der neuen Philosophie einer autogerechten Stadt. Nach amerikanischem Vorbild wurde der Autobahn-Stadtring geplant, viele Hauptstraßen wurden ausgebaut. Ein markantes Beispiel ist die Bundesallee, die teilweise sogar untertunnelt den Nord-Süd-Verkehr beschleunigte. Und dies noch immer tut.

Ein vergleichbarer Ausbau der Verkehrsachse, die den Oranienplatz durchschneiden sollte, blieb glücklicherweise in der Planungsphase stecken. Insgesamt wurde aber dem sprunghaften Anstieg der Motorisierung Rechnung getragen. Außerdem verbannten die Planer die Straßenbahn aus dem Berliner Westen, die U-Bahn wurde ausgebaut und der Busverkehr verdichtet.

Ein City-Band sollte 1965 vom Zoo bis historischen Mitte reichen

Grundlegende Strategie des ersten Flächennutzungsplans vom 30. Juli 1965 war es, die westliche Innenstadt baulich aufzulockern, die Außenräume zu verdichten und Wohnen und Gewerbe zu entflechten. Großsiedlungen wie das Falkenhagener Feld, die Gropiusstadt, das Märkische Viertel oder die Paul-Hertz-Siedlung entstanden und erste Sanierungsgebiete wurden im Flächennutzungsplan vorgesehen. Die polyzentrische Struktur der Teilstadt, mit der City-West als Hauptkern und vielen bezirklichen Nebenkernen, wurde planerisch gestaltet. Die Industrie folgte bandartig den Wasserläufen, Kanälen und Eisenbahnlinien.

Trotz der Beschränkung der neuen Bauleitplanung auf den Westteil der Stadt verwies der FNP ’65, mit Blick auf den damals nicht absehbaren, jedoch herbeigesehnten Mauerfall, auch auf die andere Stadthälfte.

Ein City-Band vom Zoologischen Garten bis zur alten Berliner Mitte und ein paralleles Kulturband vom Charlottenburger Schloss bis zur Staatsbibliothek verwiesen planerisch auf den gesamtstädtischen Zusammenhalt. Das Gebiet im Spreebogen mit dem Reichstag wurde als Sonderbaufläche für Bundesregierung und -parlament ausgewiesen.

Das Problem des nunmehr 50 Jahre alten Plans war, das er zu stark ins Detail ging. Im Laufe der Jahre mussten 59 Änderungsverfahren angestrengt werden, es wurden 139 Teilpläne für alle West-Bezirke ausgearbeitet und Anfang der achziger Jahre wurden 80 Prozent aller Bauprojekte durch Befreiung vom geltenden Baurecht genehmigt.

Der Plan von 1994 gilt bis heute - mit 199 Änderungen

Es war Zeit für einen neuen großen Plan, den FNP 1984, der schon zehn Jahre später durch die erste Stadtplanung für das nicht mehr geteilte Berlin abgelöst wurde. Dieser Flächennutzungsplan 1994 gilt immer noch – bei ständigen Korrekturen. Bis heute sind es 199 Änderungen und Berichtigungen. Die letzte „aktualisierte Arbeitskarte“ wurde von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Juli 2015 vorgelegt.

Die Natur in der Stadt: Auf dem aktuellen Plan vom Juli 2015 dominiert das Grün, auch dank der Wälder rund um den Müggelsee im Südosten der vereinten Stadt.
Die Natur in der Stadt: Auf dem aktuellen Plan vom Juli 2015 dominiert das Grün, auch dank der Wälder rund um den Müggelsee im Südosten der vereinten Stadt.

© Repro: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

Der aktuelle FNP enthält Leitprojekte, an die 1965 noch nicht zu denken war: den Großflughafen BER einschließlich der „Flughafen-City“ und einer Entwicklungsachse entlang der Spree, vorbei an Adlershof bis in die Innenstadt. Das zweite große Projekt, das planerisch vorbereitet wird, ist das Flughafengelände Tegel mit neuen Bau- und Gewerbeflächen und der Tegeler Stadtheide als Stadtgrün.

Hinzu kommt der Raum um den Hauptbahnhof, mit neuen Quartieren an der Heidestraße und dem Humboldthafen – mit urbanem Wohnen, Büros und kultureller Nutzung. Das vierte Leitprojekt des FNP Berlin ist das Ufer der Stadtspree zwischen Jannowitzbrücke und Treptower Park, mit Arealen für Büros und Dienstleistungen, Medien und Kommunikation, citynahem Wohnen und Kultur- und Freizeitnutzungen.

Mal sehen, wann der nächste, gänzlich neue Flächennutzungsplan fällig ist. Seit dem Hobrechtplan von 1862, der fast 60 Jahre galt, hatten die weiteren großen Berlin-Pläne nur noch eine Lebensdauer von 5 bis 20 Jahren. Dann folgten stadtgestalterische Strategiewechsel. Aber es gibt auch Konstanten, die 150 Jahre hielten. Dazu gehört die Berliner Blockbebauung und das innerstädtische Straßennetz.

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