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50 Jahre Mauerbau: Geschichte aus erster Hand

Tausende besuchten das neue Gedenk-Areal an der Bernauer Straße – und erinnerten sich an ihr ganz persönliches Schicksal. Wie Berliner der Teilung ihrer Stadt gedachten.

Wenn er daran zurückdenkt, was ihm und seinem Freund an jenem Tag widerfahren ist, steigen Eberhard Pabst auch heute noch die Tränen in die Augen. „In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 sind wir noch durchs Brandenburger Tor spaziert“, sagt der 70-jährige Ingenieur, der am Sonnabendmittag unter den Tausenden von Besuchern steht, die zur erweiterten Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße gekommen sind, die an diesem Tag feierlich eröffnet wird.

In jener historischen Nacht vor 50 Jahren trennten sich die Wege von Pabst und seinem Jugendfreund Joachim von Buchner aus Zwickau, die kurz in Berlin Urlaub machten. Pabst übernachtete bei Verwandten in Grünau, von Buchner bei Verwandten in Friedenau. Am 13. August wollten sie weiter gemeinsam die Stadt erkunden. Stattdessen sollten sie einander mehr als 28 Jahre lang nicht wiedersehen. „Die Mauer hat uns kalt erwischt“, sagt von Buchner, der heute in Frankfurt am Main lebt. „Das hat uns schwer getroffen“, sagt Pabst, der heute in Radeberg lebt, aber bei jedem Berlin-Besuch an der Bernauer Straße vorbeischaut. Und sich dann erinnert, wie er nach der Trennung von seinem Freund wieder und wieder nach einem Weg in den Westen suchte. Bis ihn die Stasi in ein Haftlager brachte, wie er sagt. „Ich bin bloß heilfroh, dass ich hier nicht verewigt bin“, sagt er und zeigt auf die Metallplaketten im Boden und die Stelen entlang der Bernauer Straße, mit denen an jene erinnert wird, die bei Fluchtversuchen starben.

Geschichten wie diese kann man an diesem Sonnabend viele hören, zum Teil direkt von den Besuchern des neu gestalteten Areals, zum Teil in konservierter Form: An etlichen Stationen zwischen Brunnenstraße und dem Mauer-Dokumentationszentrum an der Ackerstraße hört man auf Knopfdruck Zeitzeugenberichte, in denen Geschichten von Flucht, Trennung und dem Alltag in der frisch geteilten Stadt erzählt werden. „Das ist alles sehr bewegend“, sagt Helga Arntzen, die an diesem Tag aus Norwegen angereist ist. Dort leitet sie die Organisation „Travel for Peace“, die Exkursionen für Jugendliche nach Polen und Deutschland organisiert, um über Nationalsozialismus und Nachkriegsgeschichte zu informieren. Sie ist mit 45 Mitstreitern nach Berlin gekommen, auf deren T-Shirts steht: „Riv Murer“ – Keine Mauern mehr. „Ich freue mich, dass Deutschland seine Geschichte so gut aufgearbeitet hat“, sagt Arntzen.

Um sie herum erkunden die zahlreichen Besucher das frisch eröffnete Areal und suchen nach Spuren der Geschichte. Denn die sind nicht immer einfach zu finden. „Wir können nur erahnen, wie das hier zu Mauerzeiten aussah“, sagt Samuel Vera, der mit seiner Freundin Eva Sanchez aus Spanien zu Besuch ist. Die beiden 19-Jährigen haben von der Mauer zwar im Geschichtsunterricht gehört, aber beim Schlendern über den ehemaligen Todesstreifen bleiben zu viele Fragen offen, finden sie. So sehen sie auf dem Boden zwar die in einer Reihe verlaufenden Stahlplatten, auf denen das Wort „Fluchttunnel“ eingraviert ist, aber verstehen tun sie die Installation mangels Deutschkenntnissen nicht. Die meisten Informationstafeln sind allerdings zweisprachig auf Deutsch und Englisch, und davor drängeln sich den ganzen Tag über Besucher aus aller Welt. „Es ist gut, dass man jetzt endlich sehen kann, wo hier was gestanden hat“, sagt Nina Walther, Geschichtsstudentin aus Essen. Für sie und viele andere Besucher ist es ein emotionales Erlebnis, gerade an diesem Tag hier zu sein. Vor allem bei der offiziellen Eröffnung des neuen Areals, als es nach den Politikerreden eine Tanzperformance gibt, bei der die Mauer am Schluss symbolisch überwunden wird, sieht man viele feuchte Augen im Publikum.

Mehr zur Gedenkstätte: www.berliner-mauer-gedenkstaette.de/de/gedenkstaettenareal-548.html

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