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Berlin: 5000 Umzugskisten voller Akten beschlagnahmt

Justiz ermittelt seit 2004 gegen Bauunternehmen im Zusammenhang mit Großprojekten an Rummelsburger Bucht und Eldenaer Straße

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Die Ermittlungen gegen zwei Berliner Baufirmen, die Aufträge in den Entwicklungsgebieten Rummelsburger Bucht und Eldenaer Straße erhalten haben, erstrecken sich auf mehrere Verfahren. „Teilweise ermittelt auch die Kartellbehörde“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Jürgen Just auf Anfrage. Über die Summe der angenommenen Unregelmäßigkeiten machte er nur vage Angaben. Sie sollen im siebenstelligen Bereich liegen. Fraglich sei aber noch, so Just, ob diese Unregelmäßigkeiten zu Lasten des Landeshaushalts gegangen sind.

Wie berichtet, ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Mitarbeiter der Berliner „VBU Verkehrsbauunion“ und der „uve Gesellschaft für Umwelt, Verkehr und Energie“. Die uve hatte in den Entwicklungsgebieten im Auftrag der landeseigenen Entwicklungsträgergesellschaften Wasserstadt GmbH und Stadtentwicklungsgesellschaft Eldenaer Straße GmbH Ausschreibungen für Baumaßnahmen vorgenommen. Beide Firmen wollten sich zu den Vorwürfen nicht äußern.

Über die Größe der Aufträge machte die Stadtentwicklungsverwaltung, die beide Treuhandgesellschaften kontrolliert, keine Angaben. Im Zuge dieser Ermittlungen wurde gegen die Firma VBU auch im Zusammenhang mit Bauaufträgen am Flughafen Schönefeld ermittelt. Dieses Verfahren ist, wie berichtet, rechtskräftig abgeschlossen. Die VBU muss ein Bußgeld von 200 000 Euro zahlen.

Zu den konkreten Vorwürfen gegen die beiden Firmen im Zusammenhang ihrer Aktivitäten in den Entwicklungsgebieten machte die Staatsanwaltschaft am Freitag keine Angaben. Wo und ob überhaupt ein Schaden für das Land Berlin entstanden sei, könne noch nicht abgesehen werden. Es sei möglich, so Justizsprecher Just, dass Preisabsprachen zwar getroffen wurden, aber das Land insgesamt nicht mehr bezahlt hat, als durch ein regelgerechtes Ausschreibungsverfahren hätte bezahlt werden müssen.

Auch die Frage, ob beide Firmen gegen das Kartellrecht verstoßen haben und ob sie, wie im Fall des Flughafens Schönefeld, unzulässige Absprachen getroffen haben, könne noch nicht gesagt werden. Die Ermittlungen in Berlin laufen seit Oktober 2004. Die für Korruptionsfälle zuständige Innenrevision der Stadtentwicklungsverwaltung ist eingeschaltet.

Die Ermittlungen sind deshalb so schwierig, weil die bei den Durchsuchungen in Berlin und Brandenburg an 253 Orten beschlagnahmten Mengen von Akten – sie füllen 5000 Umzugskisten – noch gesichtet und bewertet werden müssen. Die für die Ermittlungen im Fall Schönefeld zuständige Staatsanwaltschaft in Neuruppin hatte sich aus diesem Grund auf einige wenige Fälle konzentriert, um den beschuldigten Firmen die Bildung eines Preiskartells nachweisen zu können. Gegen zwei beschuldigte Mitarbeiter des Flughafens soll demnächst das Gerichtsverfahren beginnen.

Baufachleute und Finanzexperten der SPD/PDS-Koalition, die von den staatsanwaltlichen Ermittlungen aus der Zeitung erfuhren, äußerten sich gestern überrascht. „Keine Ahnung“, „nie etwas davon gehört“, lauteten die Kommentare. Auch für den SPD-Haushälter Stefan Zackenfels, der in der vergangenen Wahlperiode eine Parlamentsarbeitsgruppe zur Kontrolle der städtebaulichen Entwicklungsgebiete leitete, war dies „alles neu“.

Die fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit inzwischen eingestellt, weil die Entwicklungsgebiete bis Ende 2007 weitgehend abgewickelt werden. Lediglich ein Abgeordneter, Spezialist für Bau und Stadtentwicklung, wagte gestern ein vage Einschätzung. Es würde ihn nicht überraschen, wenn die Staatsanwaltschaft wegen der Bildung eines Kartells oder vielleicht auch wegen umstrittener Gutachten die Fühler ausgestreckt habe. Die Altlastensanierung mithilfe privater Unternehmen sei anfällig. Und in beiden Entwicklungsgebieten, Rummelsburger Bucht und Alter Schlachthof, habe die Beseitigung umweltschädlicher Altlasten eine wichtige Rolle gespielt.

Die fünf großen Entwicklungsgebiete haben das Abgeordnetenhaus seit Mitte der neunziger Jahre immer wieder beschäftigt. Zuerst ging es hauptsächlich um verkehrs-, wohnungs- und wirtschaftspolitische Fragen. Dann rückten Finanzierungsprobleme und die Kritik an der Arbeit der Treuhandgesellschaften in den Vordergrund. Vergaberechtliche Fragen spielten in der politischen Diskussion bisher nur eine randständige Rolle.

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