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Berlin: 6 bis 20

Mit der Spannung im Wahlkampf steigt die Anspannung der Kandidaten. Da wollte Klaus Wowereit seinen Herausforderer beim Duell als unglaubwürdigen Provinzler vorführen.

Mit der Spannung im Wahlkampf steigt die Anspannung der Kandidaten. Da wollte Klaus Wowereit seinen Herausforderer beim Duell als unglaubwürdigen Provinzler vorführen. Er zitierte aus einem Interview Pflügers mit der „Neuen Presse“, in dem der CDU-Mann pathosgefüllt versprach, seine Heimat im Herzen heilig zu halten. Mag sein, dass in Berlin manch einer erst googeln muss, was „heilig“ bedeutet – aber Wowereit verstand am Montagabend sofort, dass sich Pflüger in Sachen Hannover nicht so plattmachen ließ wie im Jahr 2001 Pflügers unseliger Vorgänger Frank Steffel.

Der damalige CDU-Spitzenmann, ein geborener Berliner, hatte dahingesagt, München sei die schönste Stadt der Welt – und sich damit im Wahlkampf schwer beschädigt. Der Herzens- und Überzeugungsberliner Steffel wurde damals als schnöseliger Antiberliner hingestellt – und vielleicht zeigt sich daran, dass das heute nicht mehr verfängt, was sich seither in der Stadt getan hat. Man kann nämlich nicht stolz sein auf Hundertausende, die seit der Wende und der Hauptstadtwerdung zugezogen sind und in und mit Berlin etwas werden sollen, – und gleichzeitig so tun, als sei Berlin eine Stadt außer Konkurrenz, das Nonplusultra aus Stein und Historie. Genau das ist der Inbegriff provinziellen Denkens. Wowereit, der Vielgereiste, weiß, dass es auch woanders schön sein kann. Und gerade die Reiserei, die ihm schon öfter vorgeworfen worden ist, dürfte dem Regierenden die Augen für Berliner Defizite geöffnet haben.

Pflüger, der sich nun ganz für Berlin entschieden hat, soll sein Hannover im Herzen hochhalten dürfen, so lange er will, – wenn sogar Wowereit einen geborenen Hannoveraner liebenswert findet. Die beiden Kandidaten haben allerdings irritierend unterschiedliche Auffassungen von der Größe der Restrepublik. Im Streit um die Kita-Gebühren sagte Pflüger, Wowereit habe „fast alle“ anderen Bundesländer gegen Berlin aufgebracht, „mindestens fünf“ hätten sich entsprechend geäußert. Wowereit konterte, es gebe aber „noch 15 weitere“.

Die Bundesrepublik – ein Staat aus sechs bis 20 Ländern? Interessant. Und gut, dass die Bildung so ein wichtiges Wahlkampfthema ist.

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