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Berlin: 70 Wagen westwärts

Jetzt tanzt der Bär auf dem Ku’damm. Sonntag startet der Karnevalsumzug um 11 Uhr 11 am Olivaer Platz

„Berlin Berlin Hei-Jo! – dein Karneval soll leben. Vom Alex bis zum Zoo woll’n wir heut’ einen heben.“ So heißt es im Refrain des einzigen waschechten Berliner Karnevalsschlagers. Am Zoo hat man seit 2001, als die Tradition des Karnevalsumzugs wiederbelebt wurde, jedoch vergeblich nach vorbeiziehenden Narren Ausschau gehalten. Berlins eingeborene und zugereiste Karnevalisten ließen den alten Westen zugunsten der neuen Mitte links liegen. „Da sind wir groß geworden, und dazu steh’ ich auch“, sagt Harald Grunert, der Chef des Karnevalsumzugsvereins. Die Gegend um den Breitscheidplatz ist für Narren eh ein schwieriges Pflaster: 1959 fand hier ein letzter West-Berliner Rosenmontagsumzug statt. Dann war mangels Publikum Schluss mit lustig.

Ex-Bonner Grunert lässt sich davon nicht verdrießen und rechnet mit 700 000 Schunkelwilligen, die morgen erstmals an den Ku’damm strömen. „Der endgültige Durchbruch des Karnevals in Berlin wird das wohl nicht, aber die Straßen sind enger und bewohnt, Leute kucken ausm Fenster, Kneipen haben auf, das macht die Stimmung lebendiger.“ Die Entscheidung für die neue Strecke sei ganz pragmatisch gefallen. „Unter den Linden wird gebaut und die Notstrecke durch die Leipziger Straße letztes Mal war ja nix, die hat uns keinen Spaß gemacht.“

Los geht’s morgen um 11.11 Uhr am Olivaer Platz. Dann schlängelt sich der Narrenzug mit 70 Festwagen, 130 Gruppen und 15 Musikzügen über Kurfürstendamm, Breitscheidplatz und Tauentzienstraße zum Wittenbergplatz. Da schwenken die über 2500 Jecken samt 25 Brandenburger Prinzenpaaren und dem Berliner Dreigestirn Prinz Klaus I., Bauer Carsten und Berolina Martina Richtung Kurfürstenstraße ein, umzingeln endgültig den Breitscheidplatz, wo es jede Menge Buden zum Alkoholnachtanken gibt, und marschieren über die Hardenbergstraße zum Ernst-Reuter-Platz. Das heißt vier Stunden Frohsinn, Scherz und Schabernack. Angefeuert von über 50 Tonnen Kamellen, Blumensträußchen und kleinen Geschenken, die von den Festwagen auf die Zuschauer regnen. „Mister Karneval“ Eddi Braun, der Präsident des Karnevalskomitees, hat in Charlottenburg schon Vorfreude geortet. „Viele sagen: Schön, dass ihr jetzt endlich über den Ku’damm zieht.“ Er ist gespannt auf die Strecke und kann sich gut vorstellen, die Stadtzentren West und Ost jedes Jahr abwechselnd zu bespaßen.

Der Einzelhandelsverbandschef Nils Busch-Petersen antwortet auf die Frage, ob die närrische Rückeroberung des Westens jetzt den ultimativen Durchbruch des Karnevals in Preußen bedeutet, so: „Wieso Durchbruch? Berlin ist Karnevalshochburg!“ Das sei im Übrigen schon in seiner Studienzeit an der Humboldt-Uni so gewesen. „Da gab’s in der Nahrungsgüterwirtschaft die schärfsten Karnevalspartys mit selbst gebranntem Schnaps.“ Außerdem sei Karneval ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Das sieht Detlef Steffens, Geschäftsführer der Galeria Kaufhof am Alex genauso. Mit 300 Quadratmetern ist seine Abteilung für Faschingsartikel die größte in der Stadt. „Bei uns herrscht richtig Gedrängel dieses Jahr.“ Was am besten ginge? „Bei den Erwachsenen interessanterweise Teufelskostüme.“ Bei so viel Kaufmannsbegeisterung für die fünfte Jahreszeit darf die AG City West nicht fehlen. Vorstand Gerd-Peter Huber sieht den allgemeinen Treck gen Westen bestätigt: „Jetzt kommt endlich auch der Karneval nach 50 Jahren zurück zum Ku’damm.“ Und warum dann keine Sonntagsöffnung der Geschäfte? „Das bringt nix, die Leute sollen lieber feiern.“

Aktive Jeckenunterstützer sind die Gastwirte. Denn mit Molle und Korn wird’s gleich noch mal so lustig. StäV-Wirt Harald Grunert fordert alle Kollegen an der Strecke zum Mitspaßen auf. „Musik machen, Schmücken – das schafft Atmosphäre.“ Das habe auf den breiten Straßen in Mitte ja nie so geklappt wie im Rheinland. An der Ecke Ku’damm und Joachimsthaler Straße stellt immerhin der „Berliner Biersalon“ Heizpilze und Theke nach draußen. Und in der Bayreuther Straße will Horst-Joachim Erdmann vom „Berlinchen“ die Stimmung mit zwei Bierwagen anheizen. „Wir sind ein lustiges Völkchen und machen buntes Treiben mit Glühwein, Grill und kölschen Liedern.“ Ob er und seine Leute sich kostümieren? „Nö, aber wir malen uns die Gesichter an.“

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