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775 Jahre: So feierte Berlin das Jubiläum

Berlin hat am Wochenende sein 775-jähriges Stadtjubiläum gefeiert und an die wechselvolle Geschichte der Stadt an der Spree erinnert. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) rief dabei zu mehr Toleranz und Weltoffenheit auf.

Der Hauptmann von Köpenick durfte natürlich nicht fehlen. Die legendäre Figur mischte sich am Sonntag zwischen, Gaukler, Ritter – und tausende Berliner, die das historischen Spektakel besuchten. Bei schönstem Herbstwetter verwandelte sich das Nikolaiviertel anlässlich des 775. Geburtstag Berlins in einen mittelalterlichen Markt.

Begonnen hatte der Festtag der Stadt, die am 28. Oktober 1237 erstmals urkundlich erwähnt wurde, am Morgen mit einem Gottesdienst in der St. Marienkirche. Der evangelische Landesbischof Markus Dröge sagte in seiner Predigt, Berlin wäre ohne immer neue Zuwanderer nicht das, was es heute ist. Die Stadt verdanke ihre Vitalität der Vielfalt der verschiedenen Traditionen, Kulturen und Religionen, die sich über Jahrhunderte angesiedelt haben. Dröge forderte „Mut zur Toleranz“.

Im Nikolaiviertel ließen altes Handwerk wie Filzerei und Kerzenziehen das Zentrum von einst lebendig werden. Ritter „Salamander“ zeigte sein Schwert, Kinder probierten sich unter Anleitung an der Armbrust.

Abends hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zu einem Festakt in die Nikolaikirche geladen und fand mahnende Worte. „Berlin hatte immer seine besten Zeiten, wenn es offen war“, sagte der SPD-Politiker vor
rund 300 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Auch der Festredner, der Historiker Laurenz Demps, betonte den Aspekt der Zuwanderung.

Von den Hugenotten im 17. und den Böhmen im 18. bis zu den Vietnamesen und Türken im 20. Jahrhundert habe Berlin immer von den Zuwanderern profitiert. So sei beispielsweise die Aufklärung ohne die jüdischen Philosophen und Dichter in Berlin nicht denkbar. „Vielfalt gehört zur DNA dieser Stadt“, betonte Wowereit, und bis heute ringe die Stadt um einen toleranten und friedlichen Umgang miteinander.

Der Regierungschef erinnerte auch an die dunklen Kapitel in der Geschichte Berlins. Vor allem die Terrorherrschaft der Nazis habe diese Vielfalt, diesen geistigen Reichtum zerstört. Mit Blick auf die jüngsten Gewaltattacken in der Stadt und den zu Tode geprügelten Jonny K. rief Wowereit die Bürger auf, jeder Form von Gewalt entgegenzutreten.

Der Historiker Demps zog als „geborener und gelernter Berliner“ einen Bogen durch die Jahrhunderte. Konflikte im Zusammenleben der vielen verschiedenen Zugewanderten habe es vor allem in der Zeit der Aufklärung gegeben: „Denn nun gab es auch Ungläubige.“ Das präge Berlin bis heute. Der Berliner habe immer als ruppig gegolten. „Doch das galt nur der Gefahrenabwehr.“ Der alte Spruch des 18. Jahrhunderts: „Berliner wird man nicht, es sei denn aus Not“ ende mit einer Liebeserklärung: „Und ist man es geworden, dankt man Gott.“

Zum Abschluss der monatelangen Jubiläumsveranstaltungen versprachen die Veranstalter die „schönste Nacht des Jahres“: Die französischen Feuerpoeten von Carabosse illuminierten das Areal zwischen Schlossplatz und Nikolaiviertel mit feuerspeienden Skulpturen, brennenden Girlanden und lodernden Tontöpfen. Rund um den Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus zog die Straßentheatergruppe Titanick Tausende Berliner und Gäste in eine mittelalterlich inspirierte Welt.

Den schönsten Blick auf Berlins Geburtstagsfeier am Sonntagabend hatte man von der Rathausbrücke, rüber zum Dom: Nein, kein Flammenmeer, eher erinnerte es an ein großes Indianerlager mit zahllosen Lagerfeuern, ein malerischer Anblick, friedlich flackernde Flammen überall, magisch fast. Flammen auch in den Straßen des Nikolaiviertels, feurige Radler aus Metall etwa, die auf Seilen über den Köpfen der vieltausendfach gekommenen Besucher dahinschwebten, Eisengestelle voller Feuertöpfe, eine geheimnisvoll sich öffnende und schließende Flammenblume vor dem Roten Rathaus – es war zauberhaft und ergreifend, was die Compagnie Carabosse zur Feier von 775 Jahren Berlin aufgebaut hatte. Und ganz wundersam auch das Straßentheater Titanick mit seinen wie aus einer mittelalterlichen Vision entsprungenen Figuren. (mit dapd/dpa)

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