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Neu eröffnet. Das Johanniter-Stift in Tegel legt den Schwerpunkt auf sehbehinderte und demenzerkrankte Menschen. 16 sind bereits eingezogen, es ist Platz für rund 160 weitere.

© Vincent Schlenner

900 Jahre Johanniter-Orden: Nur das Neueste für die Alten

Der Johanniter-Orden ist 900 Jahre alt, aber hilft mit modernen Standards. Das kann man in Tegel besichtigen – in einem neu eröffneten Seniorenheim.

Der Aufzug im Johanniter-Stift in Tegel kann sprechen. Er begrüßt die Bewohner, wenn sie den Fahrstuhl des Seniorenhauses betreten, und sagt ihnen, auf welcher Etage sie sich befinden. „Das hilft bei der Orientierung“, sagt Einrichtungsleiter Sebastian Schulz.

Seit August ist das Stift am Tegeler Hafen, direkt am U-Bahnhof Tegel, eröffnet. 16 Senioren sind schon in die Einzel-Appartements des protestantischen Johanniter-Ordens eingezogen, noch ist Platz für 161 weitere. Bei der Gestaltung und Ausstattung wurde besonders auf die Bedürfnisse sehbehinderter und demenzkranker Menschen geachtet. So gibt es im ersten Obergeschoss etwa einen Sinnesgarten, in dem Demenzerkrankten durch Riechen und Fühlen verschiedener Pflanzen beim Erinnern geholfen wird. „Wir versuchen, unsere Altenheime nach den neusten Richtlinien zu führen und sie so modern wie möglich auszustatten“, sagt Prinz Oskar von Preußen. Als Herrenmeister des Johanniterordens steht er an der Spitze eines Sozialkonzerns, zu dem verschiedene Werke und Einrichtungen gehören: Das sind die Johanniter Hilfsgemeinschaft, Johanniter Schwesternschaft, Johanniter-Unfall-Hilfe, Johanniter GmbH und Johanniter Seniorenhäuser GmbH.

Gerade in einer rasch alternden Stadt wie Berlin ist die Nachfrage bei Seniorenheimen immens. Einrichtungsleiter Schulz berichtet vom Tag der offenen Tür, an dem Besucher im Minutentakt durch die Gänge des Stifts strömten.

Zur modernen Ausstattung gehören hier unter anderem rot-weiße Teller und Tassen. Durch den roten Tellerrand können auch Menschen mit stark eingeschränkter Sehkraft das Geschirr erkennen. Aus diesem Grund sind auch die Sitzflächen der Stühle im Seniorenhaus rot.

Auch wenn die bundesweit rund hundert Altenheime und Krankenhäuser der Johanniter GmbH ähnlich innovativ wie das Stift in Tegel sind – der ursprüngliche Johanniterorden ist mehr als 900 Jahre alt. Während der Kreuzzüge gründeten Kaufleute in Jerusalem ein Hospital für arme und kranke Pilger, das von einer Laienbruderschaft geleitet wurde. Christliche Ritter schlossen sich an und halfen beim Ausbau. Der Grundstein für einen der ältesten noch aktiven Orden war somit gelegt. Den aus dieser Zeit stammenden doppelten Ordensauftrag erfüllen die Johanniter noch heute: Eintreten für den christlichen Glauben und diakonische Hilfe.

Oskar von Preußen, der dem Adelsgeschlecht der Hohenzollern entstammt, empfindet das Festhalten an jahrhundertealten Traditionen als äußerst wichtig für den Orden. „Wir müssen nicht jedem Zeitgeist oder jeder Strömung hinterherhecheln, sondern können die Organisation ganz in Ruhe durch mal aufgeregte und mal weniger aufgeregte Zeiten steuern.“ Er gibt aber zu, dass einige Traditionen des Ordens heute mitunter anachronistisch wirken – wie der Ritterschlag mit dem Schwert.

Die meisten der weltweit rund 4 000 Rechts- und Ehrenritter des Ordens entstammen dem Adel – eine Voraussetzung für die Aufnahme ist das jedoch nicht. „Wir sind kein reiner Adelsverein“, sagt von Preußen.

Nicht adelig sind auch die bundesweit rund 40 000 ehrenamtlichen Helfer in den Werken und Einrichtungen der Johanniter. „Man kann bei uns in verschiedenen Bereichen aktiv werden, zum Beispiel in der Seniorenhilfe oder Hospizarbeit, aber auch im Rettungs- und Sanitätsdienst“, sagt von Preußen. „Da ist eigentlich für jeden etwas dabei.“

Auch im Johanniter-Stift in Tegel werden noch Ehrenamtliche gesucht. Sie begleiten die Senioren bei Spaziergängen oder beim Besuch zum Friseur, der sich – ebenso wie ein Restaurant – im Haus befindet. Viele der Heimbewohner, deren Angehörige verstorben sind und die keine Kinder oder Enkel haben, wünschen sich jemanden zum Reden.

Die Ehrenamtlichen können sich außerdem bei der Mitgestaltung von Gruppenangeboten, wie etwa der Bastelgruppe, engagieren. Außerdem kann man in Tegel einen „Rollstuhlführerschein“ machen und dabei lernen, wie man einen Rollstuhl richtig schiebt und verantwortungsvoll mit den Rollstuhlfahrern umgeht.

„Ein Ehrenamt schärft die eigene Sozialkompetenz“, sagt Einrichtungsleiter Schulz. Zudem bekommt man als Ehrenamtlicher bei den Johannitern eine kostenlose Weiterbildung vor Ort, zum Beispiel für die Ausbildung zum Sanitäter. So arbeiten auch die Ehrenamtlichen daran, sich stets den neuesten Herausforderungen zu stellen.

Am Freitag, 27. September, findet die Eröffnungsfeier des Johanniter-Stifts Berlin-Tegel statt, zu der auch Prinz Oskar von Preußen erwartet wird. Das komplette Gespräch mit dem Herrenmeister ist nachzulesen unter www.tagesspiegel.de/ehrenamt.

Nora Tschepe-Wiesinger

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