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Else Troche aus Bernau gemeinsam mit Dr. med. Fabian Mühlberg, Dr. rer. nat. Thomas Grandy (re), Daniela Garkisch (Pflege) (li), Jonas Wohlgemuth (Pflege) (2.v.li).

© Helios-Klinikum

97-Jährige übersteht Corona-Infektion: „Selbst unsere Partner zu Hause fragten nach ihrem Zustand“

Else Troche wurde als älteste Corona-Patientin ins Berliner Helios-Klinikum eingeliefert. Eine Behandlung auf der Intensivstation kam für sie nicht infrage.

„Frau Troche würde man sich gern als Großmutter wünschen“, sagt Fabian Mühlberg mit warmer Stimme am Telefon. Er hat sich in den vergangenen zwei Wochen um Else Troche, 97 Jahre alt, Sorgen gemacht, schwierige Gespräche mit ihr führen müssen, sich letztendlich aber mit ihr freuen können.

Else Troche aus Brandenburg wurde als älteste Corona-Patientin im Helios-Klinikum in Berlin-Buch eingeliefert. Fabian Mühlberg leitet dort als Oberarzt die Kardiologie und Nephrologie.

Als der Rettungsdienst sie zur Aufnahme brachte, lautete die vorläufige Diagnose: Verdacht auf Schlaganfall. Doch Mühlberg war von Anfang an skeptisch. Zwar beklagte sie zuerst keine typischen Corona-Symptome, dies sei bei älteren Patienten nicht ungewöhnlich, sagt Mühlberg.

Selbst bei einem Herzinfarkt oder einer Lungenentzündung stellen Patienten teilweise nur ein allgemeines Unwohlsein, eine Wesensveränderung, fest. So war es auch bei Else Troche. Ihr Pflegedienst hatte vor der Einlieferung ins Krankenhaus einen hängenden Mundwinkel bei ihr bemerkt – eigentlich typisch für einen Schlaganfall.

„Frau Troche war eine Patientin, bei der ich sofort dachte: Die Symptome könnten auf einen Schlaganfall hindeuten, aber die Musik spielt eigentlich woanders“, sagt Mühlberg. „Daraufhin haben wir die Lunge abgehört und festgestellt, dass sie sich besorgniserregend anhört.“

Mit Vorerkrankungen wie Diabetes gehört Troche zur Risikogruppe

Bei einer Computertomographie (CT) des Brustkorbs erhärtete sich schließlich der Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus: Das Bild zeigte typische Veränderungen der Lunge, die der Erreger SARS-CoV-2 herbeiführen kann: sogenannte Infiltrate, die auf dem CT-Bild wie weiße Flecken aussehen.

Gleich auf dem Nachhauseweg: Else Troche im Helios Klinikum Berlin-Buch mit Blumenstrauß .
Gleich auf dem Nachhauseweg: Else Troche im Helios Klinikum Berlin-Buch mit Blumenstrauß .

© Helios-Klinikum

Troche gehört zur Corona-Risikogruppe – allein schon wegen ihres Alters. In Berlin ist die Hälfte der an oder mit Covid-19 Verstorbenen über 82 Jahre alt. Hinzu kommt, dass Else Troche an Diabetes mellitus leidet und in der Vergangenheit schon mit Bluthochdruck und Nierenbeschwerden zu kämpfen hatte.

Einige Stunden nach Troches Einlieferung kam dann das Ergebnis des Rachenabstrichs, den alle Patienten im Helios-Klinikum machen müssen: Corona-positiv.

„Das war einfach herzzerreißend zu sehen“

„Natürlich haben wir uns große Sorgen gemacht, schließlich gehört die Patientin zur Gruppe mit der höchsten Sterblichkeitswahrscheinlichkeit“, sagt Assistenzarzt Thomas Grandy. „Selbst unsere Partner zu Hause haben nach Frau Troches Zustand gefragt.“ Manche Fälle nehme man als Arzt eben mit nach Hause, sie gingen einem nicht aus dem Kopf. Frau Troches war so ein Fall. Kein Wunder, denn das Kollegium hat die Brandenburgerin in sehr positiver Erinnerung.

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Oberarzt Fabian Mühlberg kommt geradezu ins Schwärmen, als er von der Wesensart der alten Dame erzählt. „Frau Troche hat eine richtig herzliche Art. Jedes Mal, wenn man bei ihr im Zimmer war, hat sie sich gefreut und einen angestrahlt.“

Sie sei trotz der Isolation als Corona-Patientin immer optimistisch geblieben. „Sie hat sich sogar unsere Namen gemerkt und stets eine positive Energie ausgestrahlt“, sagt Mühlberg. „Das war einfach herzzerreißend zu sehen.“

Anfällig für eine „bakterielle Superinfektion“

Für die Ärzte und das Klinikpersonal war ab dem Zeitpunkt des positiven Testergebnisses vor allem eines klar: Sie mussten dafür sorgen, dass Else Troche sich keine zusätzliche Erkrankung einfängt. Denn besonders mit dem Alter nehmen die körpereigenen Abwehrkräfte ab, der Organismus wird anfälliger für andere chronische Krankheiten.

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„Bei älteren Coronapatienten mit Vorerkrankung hätte es da beispielsweise ein Bakterium sehr leicht, dazuzukommen. Wir nennen das eine ‚bakterielle Superinfektion‘“, erklärt Mühlberg.

Ein Gegenmittel gegen das Coronavirus gibt es noch nicht, also bekam sie Sauerstoffgaben. Denn recht schnell stellten sich doch typische Corona-Symptome ein: trockener Reizhusten und Luftnot bei größerer Belastung. „Beim Weg ins Bad musste sie, wie sie sagte, zwischendurch anhalten und Luft holen“, erinnert sich Mühlberg.

„Könnte ich mit der Corona-Erkrankung von der Welt gehen?“

Else Troche war sich bewusst, dass sie mit ihrem Alter eine ganz besondere Patientin im Helios-Klinikum war. Sie hatte Fabian Mühlberg gefragt: „Könnte ich mit der Corona-Erkankung von der Welt gehen?“ Da müsse man dann ein ehrliches Gespräch führen, sagt der Oberarzt.

„Das könnte sein, aber wir tun natürlich alles dafür, um Sie zu retten“, antwortete Mühlberg seiner Patientin, wie er im Nachhinein erzählt. In ihrer Patientenverfügung hatte sich Else Troche ganz klar gegen eine Behandlung auf der Intensivstation entschieden.

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Die Bemühungen des Klinik-Teams zahlten sich ganz offensichtlich aus: Nach drei Tagen ging es Troche sichtlich besser, nach fünf bis sechs Tagen hätten die Ärzte das Gefühl gehabt, sie habe das Gröbste überstanden. Am wichtigsten sei es, darauf zu achten, Verschlechterungen frühzeitig zu erkennen, sagt Mühlberg. „Um das zu leisten, muss man ein Gefühl für das Krankheitsbild entwickeln, das wir erst seit gut einem halben Jahr kennen.“

Nach elf Tagen in Behandlung konnte Else Troche schließlich entlassen werden. Sie erhielt einen negativen Corona-Test und damit die Erlaubnis, ihr Zimmer zu verlassen und nach Hause zu fahren. Für Mühlberg ein berührender Moment, wie er sagt.

Er lerne daraus, niemals aufzugeben. „Natürlich hatten wir bei Frau Troches Aufnahme starke Bedenken angesichts ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen. Aber es ist eben wichtig, einer 97-Jährigen die gleiche Chance zu geben wie allen anderen Patienten.“

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