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Berlin: 98-Jähriger gesteht Angriff auf Ehefrau Auftakt im Prozess um versuchte Tötung

Der Rollstuhl stand nicht richtig. „Ich höre schlecht“, sagte Bruno H.

Der Rollstuhl stand nicht richtig. „Ich höre schlecht“, sagte Bruno H. und ließ sich noch näher an den Richtertisch schieben. So war es gut. „Ich gebe mir große Mühe“, kündigte der gebrechliche Mann an. Er ist Berlins ältester Gefangener. Mit 98 Jahren wurde er zum Gewalttäter. Bruno H. wollte erlösen – sich selbst und seine 74-jährige Ehefrau. Jedes Mittel war ihm recht. Er schoss, schlug mit einer Keule zu, nahm ein Messer. Das Drama brachte ihn am Donnerstag wegen versuchten Totschlags vor Gericht.

Es war nicht klar, wie der fast Hundertjährige die Aufregung verkraften würde. Man schob vorsorglich eine Krankenliege in den Saal. Helfer waren da. Seine Tochter saß dicht neben ihm. Der weißhaarige Rentner in senfgelber Strickjacke aber hatte einen guten Tag, wie es am Ende hieß. Bruno H. antwortete klar, erinnerte sich und gestand die Tat. „Er wollte sich umbringen und seine Frau mitnehmen“, sagte seine Anwältin. Auf ihren Antrag hin wurde die Öffentlichkeit bis zum Urteil ausgeschlossen.

Krank war er und lebensmüde. „Weißt du, wir wollen doch beide nicht mehr leben“, sagte er am Vormittag des 12. Juni. Christa H. reagierte erstaunt: „Wieso denn?“ fragte sie. Als sie in der Küche der Wilmersdorfer Wohnung stand und das Essen vorbereitete, kam er mit einem Revolver und drückte ab. Ein Nahschuss. Er sollte tödlich sein. Doch Bruno H. irrte: Es war keine scharfe Waffe, sondern eine Schreckschusspistole. Christa H. erlitt ein Knalltrauma. Sie griff zum Telefon und rief die Tochter an: „Papa dreht durch, will mich und sich umbringen!“

Bruno H. kam unbeirrt zurück in die Küche. Diesmal mit einem Baseballschläger in der Hand. Er schlug mindestens vier Mal zu, traf Kopf und Oberkörper. Er sah zwar Blut, das über ihr Gesicht floss. Sein Vorhaben aber war erneut gescheitert. Der Horror ging weiter. Der Rentner griff zum Messer. Er wollte der Frau die Halsschlagader aufschneiden. Sie wehrte ihn ab. Er zielte auf ihr Handgelenk. Nun glaubte er, seine Frau sei tot. Er begann, an seinen Pulsadern zu schneiden. Als die Polizei kam, hatte sich Christa H. so weit erholt, dass sie öffnen konnte.

Seit fast 52 Jahren sind sie verheiratet. „Sie stützten sich immer gegenseitig“, hieß es am Rande des Prozesses. Beide haben erhebliche gesundheitliche Probleme. Das soll Bruno H. sehr beschäftigt haben. Er glaubte wohl, seine Frau könnte ohne ihn nicht leben. Seiner Tochter soll er mehrfach von Gedanken an Selbsttötung berichtet haben. Nun spricht alles für einen Versuch eines erweiterten Suizids.

Derzeit befindet sich Bruno H. in der geschlossenen Gefängnispsychiatrie. Mithilfe eines Gutachters muss nun geklärt werden, ob er vermindert schuldfähig war oder gar schuldunfähig, ob er weiterhin gefährlich ist für seine Frau. Der Prozess geht Dienstag weiter. K.G.

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