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Berlin: 99 Zeilen Schwerk: Ein kleines Bonbon als Mitbringsel vom Besuch in einem türkischen Café

Vor mir liegt ein Bonbon. Es ist umhüllt von einem blauschimmrigen Papier mit rotem und silbernem Aufdruck: Elit Salon.

Vor mir liegt ein Bonbon. Es ist umhüllt von einem blauschimmrigen Papier mit rotem und silbernem Aufdruck: Elit Salon. Seine Enthüllung ergibt erwartungsgemäß ein klebriges Ding mit Ananas-Aroma. Aber das Wesentliche dieses Bonbons besteht darin, dass es uns mit weiterem Naschwerk auf einer Schale dargebracht wurde. Ich wähle das altmodische Wort, weil es ein wenig feierlicher klingt als das heischende anbieten. Dargebracht zur Feier des muslimischen Opferfestes an dessen erstem von insgesamt vier Tagen. Hierfür trat der Türke hinterm Tresen des türkischen Cafés zu uns beiden vor dem Tresen: zu mir gelerntem Berliner und meinem Freund Ufuk, dem waschechten, hier geborenen, hier verwurzelten Türken von Staats und Familie wegen. Wir nahmen uns jeder einen Bonbon, und dann wurden unsere Handteller aus einer Plastikflasche mit Kölnisch Wasser beträufelt. Ich öffnete meine Hände hierfür auf diskreten Rippenstoß meines eingeweihten Freundes und rieb sodann - wie er es vormachte - meine Stirn mit dem kühlenden Duftwasser. Es war gut, dass er mich hierher begleitete. So hatten wir, die ins türkische Café hereingeschneiten Gäste, Anteil an einer symbolischen Handlung des miteinander Teilens. Sie macht den Fremden nicht zum Fremdling, sondern heißt ihn als Gast willkommen.

Wir waren in eines der vielen Berliner türkischen Cafés, das Picknick, eingekehrt, in dem sich nur Männer versammeln: zum Karten- oder Brettspiel, zum geselligen Palaver und Tee. Wir wechselten dorthin, nur ein Haus weiter, vom Morgenland, einem Lokal an der Ecke Skalitzer- /Manteuffelstraße in Kreuzberg. Hier führt so ziemlich alles türkische Geschäftsnamen im Schilde. Und neben allen türkischen In- und Aufschriften blattert narbig in Fraktur das DEUTSCHE HAUS als Hinweis auf ein früheres Hotel. In Kreuzberg kreuzen sich verschiedene Kulturen auf auch komische Weise. Wir waren also recht aufgekratzt vom Morgenland nach nebenan ins türkische Café gewechselt. Freund Ufuk dämpfte behutsam meine Schnapsidee, mich unter die karten- und brettspielenden Männerbünde mischen zu wollen, mitzuspielen. Also pflanzten wir uns an den Tresen und bestellten Tee, der es hier verdient, Tee genannt zu werden. Ufuk ging ins Detail, bestimmte Herkunft und gleiche Machart der Teegläser, indem er sie gegen das Licht hielt. Das Licht ist durchaus grell zu nennen. Es flutet aus Leuchtstäben, die an der hohen Decke angebracht sind, herab, streift wandhohe bunte Landschaftstapeten. Ach, wie ungemütlich, sagen Sie? Keineswegs, sage ich. So muss es hier aussehen, nur so. Eher kahl als vollgemöbelt. Hell von oben, gemütlich in den Kreisen um die Tische herum: palavrige Geselligkeit beim Spiel. Über den Tischen wabert blauer Dunst, den die gemütlichen Männer mit Pfeifen, Zigarren und Zigaretten machen. Es sind hier durchweg Männer der ersten Generation, wie Ufuk, der Spross der dritten Generation nach türkischer Rücksprache mit dem Türken hinterm Tresen erkundet hatte. Und keiner der hier versammelten Alten spreche Deutsch. Damit war mein launiges Vorhaben schon durchkreuzt, mich ihnen als Mitspieler zuzugesellen. Sie wären in ihrer Unterhaltung gestört worden. Das leuchtete mir ein. So sah ich den Männern nur eine Weile zu, wie sie ihre Karten oder Steinchen mischten, ordneten und ausspielten - so eine Art Rommé. Sie sahen nur kurz und freundlich auf, der Alte mit der kegelförmigen Bibermütze, sein Nachbar mit deutscher Schiffermütze. Im feierabendlichen Spiel ruhig gefaltete Gesichter. In ihnen zu lesen, ist an keine Sprache gebunden. Ich war unter diesen Männern Ausländer. Fremder ja, Fremdling nein; denn ich wurde als Gast bewillkommnet und beschenkt. Das, und nicht weniger steckt in diesem Bonbon, das vor mir liegt.

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