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Kritiker sehen die Totenruhe gestört, wenn Gunther von Hagens die Körper ausstellt. Der 69-Jährige ist seit vielen Jahren an Parkinson erkrankt. Dieses Foto entstand 2010.

© dpa

Ab Herbst "Körperwelten"-Museum am Fernsehturm: Hier kommt von Hagens, Vorhang auf …

… für seine Horrorshow. Im Fernsehturm am Alex soll die umstrittene Ausstellung „Körperwelten“ des Plastinators ab Oktober eine feste Bleibe finden.

Und jetzt auch noch das. Nicht genug damit, dass in den Pavillons am Fuß des Fernsehturms mittlerweile Kaffeeläden, ein Fitnessstudio und ein Spielcasino ansässig sind.

Ab Oktober soll das Wahrzeichen der Stadt auch noch ein Museum zur permanenten Ausstellung von Gunther von Hagens Plastinaten beherbergen. Wenn das Bezirksamt Mitte den Bauantrag des Museums genehmigt, werden dort ab Herbst wohl tote Körper in Reiter- oder Springerpose zu sehen sein. Stadtrat Carsten Spallek (CDU) weiß bisher nur von einem Brandschutzprüfnachweis, der noch ausstehe. Wenn alles glatt geht, ginge für von Hagens ein „langgehegter Traum von einem ’Menschen-Museum’ in Berlin in Erfüllung“, wie er in einer schriftlichen Mitteilung erklärte.

Angelina Whalley, die Kuratorin der Ausstellung, kündigt an, dass man sich in dem Museum nicht auf eine reine Anatomieschau beschränken wolle. Vielmehr sollten auf den rund 1200 Quadratmetern übergeordnete Themen des Menschseins – wie der Prozess des Alterns oder die Beschleunigung des Lebens – angesprochen werden. Auch aktuelle Themen rund um Gesundheit und Körper will das Museum immer wieder in der Ausstellung aufgreifen. Zudem soll auch von Hagens als Erfinder der Plastination in dem Museum gewürdigt werden.

Die Ausstellungen waren immer von ethischen Debatten und Protesten begleitet

Dabei hatten schon die „Körperwelten“-Wanderausstellungen, die in den Jahren 2001, 2009 und 2011 Station in Berlin machten, eine leidenschaftliche Kontroverse ausgelöst. Einerseits war vor allem die erste Schau 2001 ein Publikumsmagnet, der durchschnittlich 6000 Besucher am Tag anzog. Andererseits waren die Ausstellungen aber auch immer von ethischen Debatten und Protesten begleitet. Im Jahr 2009 protestierten beispielsweise Pfarrer aus Berlin und Brandenburg vor dem Postbahnhof, weil sie die Würde des Menschen durch die Zurschaustellung der Plastinate verletzt sahen. Viele der ausgestellten Körper sind Kunstprodukte, die aus Zusammenfügungen verschiedener Körperteile entstehen. „Die Kontroversen um unsere Präsentationen sind schon lange nicht mehr so heftig wie sie einmal waren“, meint Whalley. Die meiste Kritik sei ohnehin immer von denjenigen laut geworden, die selbst noch nie eine Ausstellung besucht hätten, glaubt sie.

Angela Leiberg, Lehrerin aus Mitte und gerade zu Besuch am Fernsehturm, hat bereits eine „Körperwelten“-Ausstellung gesehen. Die 58-Jährige hält aber nichts davon, dass das Museum nun an einem solch exponierten Ort in Berlin einziehen will. „Die Ausstellung verstört schließlich auch viele Menschen und an diesen Ort kommen ja auch viele Kinder“, sagt die Lehrerin mit Blick auf die Schüler ihrer Grundschulklasse. Manches wolle man einfach nicht sehen, ohne dass man gefragt werde. „Denn diese Bilder brennen sich in die Erinnerung ein, ohne dass man sie einfach wieder löschen könnte.“

Marco Horning aus Bremen hat diese Erfahrung nicht gemacht. Der 26-jährige Bürokaufmann hat die Ausstellung in Hamburg besucht. „Ich fand die Exponate sehr interessant, man lernt doch etwas über den Körper und die Anatomie“, meint er. Auch das Institut für Plastination in Heidelberg, das hinter den „Körperwelten“ steht, begreift seine Präsentation als „wissenschaftlich fundiert aufbereitete Anatomieausstellung“, durch die man einen mündigeren Zugang zu seinem Körper erhalte.

Doch nicht alle folgen dieser Darstellung. Es gibt ganz grundsätzliche Vorbehalte gegen die Zurschaustellung plastinierter menschlicher Körper. Viola Brasgalla aus Paris ist der Meinung, dass heute andere Mittel zur Verfügung stünden, um Einblicke in die menschliche Anatomie zu erhalten. „Ich finde diese Ausstellungen unästhetisch und unethisch“, sagt die 46-Jährige. Letztlich störe man durch sie die Totenruhe. Auch den wissenschaftlichen Anspruch des ganzen Unterfangens sieht sie skeptisch. Vielmehr stehe hier wohl der Kommerz an erster Stelle.

Die in der Ausstellung gezeigten Plastinate stammen aus dem Körperspende-Programm des Instituts für Plastination, in dem über 14 000 Spender registriert sind. Unter ihnen sind auch einige Berliner und Brandenburger. Bei den Protesten gegen die Körperwelten-Ausstellung im Jahre 2009 machten sie daraus auch keinen Hehl. „Ich bin ein Körperspender“ stand auf ihren T-Shirts, „Keine Macht den Maden“ auf ihren Schildern.

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