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Abgeordnetenhauswahl: Senatorenanwärter rangeln um die freien Plätze

Nach der Abgeordnetenhauswahl wird es einen neuen Senat geben. Wir schauen, wer bei den Parteien als regierungstauglich gehandelt wird.

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Das Fell des Bären sollte nicht verteilt werden, bevor er zu Füßen des Jägers liegt. Trotzdem wollen die Berliner gern rechtzeitig wissen, von wem sie in Zukunft regiert werden. Um es klar zu sagen: Erst wird gewählt, vorher steht nichts fest – aber Spekulationen über das Regierungspersonal bis 2016 werden ja wohl erlaubt sein.

SPD

Die Sozialdemokraten gehen mit dem Anspruch in die Wahl, nach dem 18. September wieder den Regierenden Bürgermeister zu stellen. Nach den Meinungsumfragen hat der SPD-Spitzenkandidat Klaus Wowereit auch gute Chancen, die nächste Landesregierung anzuführen. Wenn er die Wahl gewinnt, einen Koalitionspartner findet und vom Abgeordnetenhaus zum Regierungschef gewählt wird, werden die anderen Senatsmitglieder von Wowereit ins Amt berufen. Die Landesverfassung legt fest, dass es nicht mehr als acht sein dürfen.

Die Senatsverwaltung für Finanzen soll unter der Fahne der SPD bleiben. Schließlich handelt es sich um ein zentrales Querschnittsressort, das sämtliche Behörden mitkontrolliert. Wer das Geld hat, hat die Macht. Der parteilose Finanzsenator Ulrich Nußbaum rechnet seit Wochen fest damit, dass er im Amt bleibt. Er hat das Vertrauen Wowereits, der ihn erst 2009 aus Bremen nach Berlin holte.

Der SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller, seit vielen Jahren engster Vertrauter des Regierungschefs, hat die freie Wahl. Er kann seine Posten behalten oder ins Kabinett eintreten. Entweder als Senator für Wirtschaft, vielleicht gekoppelt mit Wissenschaft oder Arbeit. Oder als Senator für Stadtentwicklung, eventuell erleichtert um das Verkehrsressort. Zwar erhebt auch der Spandauer Umweltexperte Daniel Buchholz Ansprüche auf ein Regierungsamt. Aber so richtig gute Karten hat er nicht. Denn Müller hat das erste Zugriffsrecht auf die Stadtplanung, und an der Gestaltung der Umweltpolitik für Berlin wollen die Grünen an vorderster Stelle mitwirken.

Als Senator für Inneres ist der Amtsinhaber Ehrhart Körting nicht aus dem Rennen. Allerdings werden auch die Grünen dieses wichtige Ressort für sich reklamieren. Die CDU erst recht, sollte sie ins Boot der Regierung geholt werden. Wenn die Innenpolitik bei den Sozialdemokraten bleibt, wäre die ehemalige Bundesjustizministerin und Innenstaatssekretärin Brigitte Zypries eine interessante Außenbesetzung. Es ist davon auszugehen, dass Wowereit bei der Suche nach geeigneten Senatskandidaten auch dieses Mal über die Stadtgrenze schauen wird.

Um die Senatsverwaltung für Justiz wird es wohl kein großes Gedränge geben. Die Amtsinhaberin Gisela von der Aue hat die Oberaufsicht über die Justiz nach diversen Anlaufschwierigkeiten relativ geräuschlos und effektiv geführt. Das schätzt der Regierende Bürgermeister. Warum sollte die Parteifreundin nicht bleiben? Die Alternative dazu wäre, dass der Koalitionspartner der SPD die Justiz übernimmt.

Traditionellerweise werden Zuschnitt und Verteilung der Ressorts und deren Besetzung erst am Ende der Koalitionsgespräche ausgehandelt. Das führt manchmal zu überraschenden und wenig sachbezogenen Entscheidungen. So legt die SPD nicht mehr den größten Wert auf das Bildungsressort. Auch die Gesundheits- und die Sozialverwaltung sind für die Sozialdemokraten Verhandlungsmasse. Aber vielleicht kommt alles anders und deshalb wird Wowereit auch für diese Politikbereiche Kandidaten in der Hinterhand halten. Oder besser gesagt: Kandidatinnen. Denn die SPD will mindestens zwei Frauen in den neuen Senat schicken. Für Bildung und/oder Wissenschaft käme beispielsweise Doris Ahnen infrage, Ministerin in Rheinland-Pfalz und Mitglied des SPD-Parteivorstands.

Lesen Sie auf Seite 2, wen die Grünen gerne in den nächsten Senat entsenden würden.

GRÜNE

Sollte es zu rot-grünen Koalitionsgesprächen kommen, sind bei den Grünen zwei Senatoren gesetzt: Fraktionschef Volker Ratzmann und die Tempelhof-Schöneberger Gesundheitsstadträtin Sibyll Klotz. Ratzmann wird neben der Fraktionschefin Ramona Pop, den Landeschefs Daniel Wesener und Bettina Jarasch und der Spitzenkandidatin Renate Künast Mitglied der fünfköpfigen Sondierungsgruppe sein und würde auch die Koalitionsverhandlungen mitführen.

Ratzmann ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion und könnte diesen Politikbereich übernehmen, wenn es unter rot-grünen Vorzeichen nicht dem SPD-Mann Müller anvertraut werden sollte. Ratzmann gilt auch als Kandidat für das Innenressort, sofern die SPD das Ressort nicht für sich beansprucht. Aber in Verwaltungs- und Polizeikreisen würde man lieber den Justizsenator a. D. und Bundestagsabgeordneten Wolfgang Wieland sehen. Ist das realistisch? „Man müsste mich dazu schon nötigen“, sagt Wieland dem Tagesspiegel.

Sibyll Klotz kennt die Verwaltung gut und ist Fachpolitikerin für Gesundheit und Soziales. Klotz ist auch Bürgermeisterkandidatin der Grünen im Bezirk. Sollte sie in Tempelhof-Schöneberg die Wahl gewinnen, würde sie im Bezirksamt bleiben. Je nach Wahlausgang könnten die Grünen drei oder vier Senatorenposten beanspruchen. Bei drei Posten ist die „Geschlechterproportion“ zu wahren: zwei Frauen und ein Mann. Das wären also Ratzmann, Klotz oder Parteichefin Bettina Jarasch für ein kombiniertes Bildungs/Jugendressort. Jarasch gehört der Landesarbeitsgemeinschaft Bildung an und hat bis vor zwei Jahren im Büro von Künast gearbeitet. Könnten die Grünen nach einem guten Wahlergebnis gar vier Senatorenposten beanspruchen, wird der Landesverband auch bundesweit Kandidaten suchen und schnell Kontakte über die parteinahe Heinrich-Böll-Stiftung zu Bildungsexperten knüpfen.

Es ist nahezu ausgeschlossen, dass die Grünen das wichtige Schlüsselressort Stadtentwicklung für sich beanspruchen. Falls doch, dann dürfte es auf den langjährigen Verkehrspolitiker und EU-Parlamentarier Michael Cramer hinauslaufen. „Ich strebe nichts an, ich schließe nichts aus“, sagt er zu dieser äußerst unwahrscheinlichen Besetzungsvariante.

Lesen Sie auf Seite 3, wer bei CDU und Linkspartei als senatstauglich gilt.

CDU

Bei der CDU, seit zehn Jahren senatsentwöhnt, hält man sich mit Spekulationen sehr zurück. Ein führender CDU-Mann sagt sogar, darüber sei „noch nicht gesprochen worden“. Andere, die darüber sprechen, halten den Spitzenkandidaten Frank Henkel für einen guten möglichen Innensenator. Genauso automatisch erfolgt die Nennung der Bundestagsabgeordneten Monika Grütters als möglicher Kultur- und Wissenschaftssenatorin. Und Thomas Heilmann, Unternehmer und Vertrauter der beiden, könnte man sich als Senator für Wirtschaft vorstellen. Indes wird Heilmann auch ein Interesse an der Bildungsverwaltung nachgesagt, weil er dort einen besonders hohen Umbau- und Restrukturierungsbedarf vermutet. Michael Braun, Kreischef der einflussreichen Südwest-CDU gilt als möglicher Nachfolger Henkels im Amt des Fraktionschefs.

LINKE

Sollte es eine dritte Auflage von Rot-Rot geben, dann sind bei den Linken zwei Namen gesetzt: der amtierende Wirtschaftssenator Harald Wolf und Arbeits- und Sozialsenatorin Carola Bluhm. Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher verlässt die Landespolitik. Wolf könnte das Wirtschaftsressort weiter betreuen, von dem er sagt, dass dort „die Kontinuität wichtig ist“. Und Bluhm könnte ihrem Parteifreund aus ihrem Ressort die Arbeit abgeben und sich neben dem Bereich Soziales auch um die Gesundheit kümmern.

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