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Damals. Unsere Jugendblog-Autorin Antonia Barthel wünscht sich mehr Erinnerung.

© privat

Abitur: Wer schreibt denn heute noch Tagebuch?

Zwölf Jahre Schule, aber kaum Erinnerungen. Unsere Autorin steht unsicher zwischen Vergangenheit und Zukunft - und fasst einen Entschluss.

Pro Jahr lebe ich an 365 Tagen. Da sollte ich mit meinen 18 Jahren doch schon auf viel zurückblicken können, denke ich mir… Dies soll kein Text sein, der ein nüchternes, langsames Leben beklagt, keine Sorge. Viel mehr geht es mir um die kleinen Ereignisse, die lautlos in uns eingehen. Die, die sich nicht groß ankündigen, die nicht an uns rütteln, uns nicht schocken, uns nicht bewegen, sich nicht aufdrängen, aber dennoch prägend sind. Ich rede von dem Alltäglichen, von den Tagen in der Woche, an denen ich nicht Geburtstag habe.

Als ich letztens an meiner Grundschule entlanglief, stehen blieb und auf den Pausenhof blickte, wurde mir bewusst, dass es mir möglich ist die Erlebnisse auf diesem Schulhof, an die ich mich erinnern kann, mit den Fingern abzuzählen. Abgesehen von dem gefährlichen Sturz beim Fangen spielen und der blutenden Hand, dem ersten Schuss aufs Fußballtor und dem gewonnenen Wettrennen, habe ich wenig Erinnerungen an diese Zeit. Ein Umstand, der mich sehr betrübt. Was habe ich vier Jahre lang, fünf Tage die Woche auf diesem Hof gemacht?

Als ich daraufhin versuche, mich an vergangene Sommerurlaube zu erinnern, muss ich feststellen, dass auch hier der klare und genaue Rückblick fehlt. Ich versuche mir einzureden, dass ich mit diesem Phänomen nicht alleine dastehe, dass es natürlich ist und deshalb nicht der Rede wert.

Doch wenn ich mir vorstelle wie der Alltag, mit seiner treuen und zuverlässigen Art, von jedermann nach kurzer Zeit schon wieder vergessen wird, bekomme ich Mitleid und weiß nicht recht wem gegenüber. Ich bilde mir ein, einem enttäuschten Alltag ins Auge zu blicken und weiß nicht, wie ich meine Augen von ihm abwenden kann. Schließlich stehe ich mit ihm allein - die großen Abenteuer in weiter Ferne, in Vergangenheit und Zukunft, winken nett und lächeln.

Etwas muss sich ändern

Der Alltag ist es, der die Stellung hält, und ich bemerke noch nicht einmal, wie ich ihn mit der Zeit vergesse. Von den gemeinen Ausrufen, diese alltägliche Routine öde mich an und sei verantwortlich für meine Langeweile, möchte ich gar nicht erst sprechen. Nach all diesen erkennenden Gedanken steht für mich fest, dass sich etwas ändern muss.

Ich muss bewusster mit dem Alltäglichen umgehen. Ich suche nach Lösung und werde fündig: Das Tagebuch. Für den einen komplett veraltet, für den anderen Kinderquatsch oder mit verzweifelten Teenies in Verbindung gebracht, ist es allgemein für meine Generation wohl eine entfernte Idee abends das Geschehene in einem Buch festzuhalten.

Ich muss gestehen, dass ich einmal beim Lesen alter Tagebucheinträge so peinlich berührt war, dass ich, ohne zu überlegen, das Heft zerriss und in die Tonne warf. Damit bin ich wohl kein gutes Beispiel, aber ich will eins werden.

Ab heute schreibe ich Tagebuch! Keine Romane, denn dazu fehlt wohl die Zeit. Aber täglich kleine Notizen sollen schon ausreichen, um mich später daran zu erinnern, was ich grade heute am 2.April.2015 und an den Tagen danach erlebt habe. Denn jeder Tag hat sein Geheimnis.

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Antonia Barthel, 18

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