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Abiturienten: Wer immer strebend sich bemüht

Endlich! Die Abiturienten haben die letzte Prüfung hinter sich. Laura und Marcel gehören zu den besten der Stadt.

Ein großer rosa Hase springt auf dem Schulhof herum. Musik dröhnt aus den Boxen, und neben dem Riesennager hopsen andere Abiturienten der Hellersdorfer Melanchthon-Schule in wilden Verkleidungen umher. Es ist ihr letzter Schultag. Die Jungs tragen glitzernde Perücken oder Spitzenhemdchen. Viele haben sich etwas auf die Stirn geschrieben: „Sex“ oder „bestanden“. Auf ihren T-Shirts steht: „Wir feiern nicht, wir eskalieren.“

Bei Marcel Frenzel fällt die Eskalation etwas moderater aus: Er wippt ein bisschen zur Musik und beißt ein pastellfarbenes Kügelchen von der Zuckerperlenkette, die er um den Hals trägt – seine einzige Verkleidung. „Ich bin nicht so der Typ dafür“, sagt er. Wenn man auf Marcels Stirn „bestanden“ lesen könnte, wäre das eine maßlose Untertreibung: Er ist der beste Abiturient der Schule und einer der besten Berlins. Auf seinem Zeugnis steht eine glatte 1,0. Und auf den ersten Blick erfüllt er ein paar Klischees, die man von so guten Schülern im Kopf hat. Vor allem, wenn er wie jetzt mit seinen Freunden Stephan Köhler (Abischnitt 1,1) und Thomas Kiel (1,2) zusammensteht. Alle drei sehen so ordentlich aus, als wollten sie gleich in die nächste Unterrichtsstunde. Alle waren im Mathe-Leistungskurs, wollen demnächst etwas Naturwissenschaftliches studieren. Und dann beginnt Thomas auch noch, über die Berechnung der Abiturnote zu fachsimpeln. Mathe und Physik seien ihm schon immer zugefallen, sagt Marcel leise und nur wenn man ihn danach fragt. Da müsse er gar nicht viel lernen. „Er ist so bescheiden und macht kein großes Aufhebens um seine gute Note“, sagt Stephan. Aber dann durchbricht Marcel doch noch das Klischee vom Streber: „Bio mochte ich nicht so gern, da muss man so viel auswendig lernen.“ Und außerdem will er jetzt unbedingt los und mit den Perückenträgern und Hasen die Klassen der jüngeren Schüler stürmen. Kurz spricht er noch mit seiner Mitschülerin Svenja, dann ist er verschwunden. Ihre Abinote ist einen Tick schlechter als die der drei Jungs: 1,4. Nein, sie sei nicht neidisch, sagt sie achselzuckend. „Spitzenleistungen werden doch immer noch von Männern erbracht.“

Der lebende Beweis für das Gegenteil sitzt am anderen Ende der Stadt, im Innenhof des Lankwitzer Beethoven-Gymnasiums: Laura Lorena Wallenfels hat eine noch höhere Punktzahl erreicht als Marcel. Rein rechnerisch wäre es wohl eine 0,7, sagt sie lächelnd. Ihr Schulleiter Wolfgang Harnischfeger glaubt, sie habe wahrscheinlich das beste Abitur der Stadt gemacht. Noch sind aber nicht die Noten aller Schulen offiziell ausgewertet worden. „Es stimmt schon, dass es eher Jungs sind, die in Mathe so gut abschneiden“, sagt die 18-Jährige. Aber sie kenne auch viele besonders gute Mädchen: Eine ihrer Freundinnen an der Beethoven- Schule habe auch mit 1,0 abgeschnitten. Laura kann eigentlich alle Fächer sehr gut. „Ich interessiere mich eben für alles.“ Als Leistungskurse hatte sie Deutsch und Englisch. Sie habe einfach „immer kontinuierlich im Unterricht mitgemacht“ und so am Ende gar nicht so viel für die Prüfungen lernen müssen wie andere. In den Osterferien ist sie nach Gomera gefahren und hat dort nur ab und zu gelernt. Und in den Jahren vorher war ihr oft die Musik wichtiger – mit ihrem Cello war sie bei „Jugend musiziert“ dabei .

Laura ist ein Jahr früher eingeschult worden, sie ist jetzt erst 18. Vor der Einschulung sei sie in einem Test als hochbegabt eingestuft worden. „Ich frage mich immer, was das heißen soll. Das ist so ein schwammiger Begriff.“ Sie erzählt es auch nicht so gern. Lieber redet sie davon, dass sie bald nach Peru fliegt, um dort für ein Jahr in einem Kindergarten zu arbeiten. Danach will sie Jura studieren. „Dafür brauche ich eigentlich gar kein so gutes Abi“, sagt sie und lacht. Ähnlich ist es auch bei Marcel: „Wenn du Mathe studierst, verschwendest du deinen guten Schnitt“, hat sein Vater gesagt. Er will es trotzdem tun. Daniela Martens

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