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Berlin: Abrechnungsbetrug: Kassen setzen Detektive ein

Immer häufiger werden überhöhte Rechnungen eingereicht –verdeckte Ermittler sollen Medizinern auf die Spur kommen

Die Gattin des Orthopäden bemerkte nicht, dass sie beschattet wurde. Ganz offen fuhr sie mit einem schwarzen Luxuswagen durch die Stadt, der auf einen Orthopädietechniker zugelassen war. Dadurch flog auf, dass ihr Mann unerlaubterweise dem Techniker lukrative Aufträge zuschanzte. Der Beweis: Fotos, die Detektive im Auftrag der Krankenkassen von der Frau in ihrem Wagen machten. Oder eine Berliner Firma für häusliche Krankenpflege: Privatermittler fanden eine ehemalige Mitarbeiterin, die bezeugte, dass die Firma statt teurer ausgebildeter Krankenschwestern billige notdürftig angelernte Laien zu Pflegebedürftigen schickte. Bei hunderten Kranken legten diese unter anderem Katheter und Infusionen oder injizierten Medikamente – ohne Qualifikation. Die befragte Ex-Mitarbeiterin gab zum Beispiel an, sie sei eigentlich Näherin. Mehrere Kassen haben jetzt Strafanzeige gegen die betroffene Firma erstattet.

Dies sind zwei der jüngsten Ermittlungserfolge des Berliner Ersatzkassenverbandes (VdAK) im Kampf gegen Abrechnungsbetrügereien im Gesundheitswesen. Im Unterschied zu anderen gesetzlichen Krankenversicherungen setzt der VdAK, zu dem unter anderem die Barmer, die Techniker- und die Deutsche Angestelltenkrankenkasse gehören, seit 2003 professionelle Detekteien für seine Nachforschungen ein. Bisher arbeiteten die Profis im Hintergrund, jetzt zog der Verband eine erste Bilanz: Im vergangenen Jahr habe man so rund 200 000 Euro Strafzahlungen von überführten Ärzten, Zahnärzten und anderen Gesundheitsdienstleistern kassiert, sagt Michael Rädel, Leiter der Arbeitsgruppe Abrechnungsmanipulation beim Berliner VdAK. In den ersten acht Monaten 2004 seien dies schon 520 000 Euro. Aus diesem Geld finanziere man auch die Honorare für die derzeit vier Detektive. Am Ende des Jahres werde die Summe noch höher liegen, sagt Rädel. Denn derzeit werde in 15 Betrugsfällen ermittelt. Wegen des „großen Erfolges“ übernimmt die Berliner Landesvertretung in einem bundesweiten Pilotprojekt nun auch die Nachforschungen in Brandenburg.

Im Gegensatz zu anderen Gesundheitsdienstleistern sei bei Ärzten eine Betrügerei schwer nachzuweisen, sagt VdAK-Ermittler Rädel. „Wenn die eine bestimmte Verordnung als medizinisch notwendig bezeichnen, ist es schwierig, das Gegenteil beweisen.“ Deshalb setzt man auch in diesen Fällen Detektive ein. Diese geben sich als Patienten aus und protokollieren jeden Behandlungsschritt. Anschließend wird geprüft, welche Leistungen der Arzt dann tatsächlich abrechnete.

Laut Kassenärztlicher Vereinigung sind 0,2 Prozent aller von den 7800 Berliner Ärzten eingereichten Abrechnungen „auffällig“. Der Betrug geht vor allem zu Lasten der Kollegen, denn die Kassenbudgets sind begrenzt. Wer sich mehr ergaunert, nimmt es also anderen Ärzten weg.

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