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Berlin: Abschied für den Diplomaten des Papstes

Der katholische Nuntius liebt Berlin und Hertha BSC – jetzt wird er Außenminister des Vatikans

Giovanni Lajolo ist 68 Jahre alt und kennt die Katholische Kirche von innen und außen. Seit 33 Jahren ist er für sie als Diplomat in der Welt unterwegs, seit sechs Jahren als Botschafter des Papstes in Deutschland. Aber nicht mehr lange. Mitte November geht Giovanni Lajolo nach Rom zurück. Dort wird er Außenminister des Papstes. Was das konkret bedeutet, weiß er nicht. Dass er seine künftigen Aufgaben noch nicht kennt, bereitet ihm etwas Sorge. Warum die Wahl ausgerechnet auf ihn fiel, weiß er auch nicht. „Nicht im Entferntesten hätte ich gedacht, dass ich einmal Außenminister werde.“ Bei ihm sei es ja nicht so wie bei weltlichen Politikern, die sich selbst zur Verfügung stellen und ihr Leben lang davon träumen, Minister zu werden. In der Kirche werde man berufen. „Dem Papst sagt man nicht Nein.“

Lajolo sitzt im schwarzen Anzug auf einem edlen beigefarbenen Sofa in einem der Empfangszimmer in der Nuntiatur und schlägt die Beine übereinander. „Ich verstehe nicht, dass die Polizei so wenig gegen die Dealer in der Hasenheide unternimmt“, sagt er in gutem Deutsch und mit italienischem Akzent. Die Hasenheide sei doch ein Park für Familien, und es sei auch gar nicht schwer, die Dealer zu erkennen. „Es sind immer die gleichen Leute und sie geben sich Signale.“ Das habe er oft beobachtet, wenn er dort „im Sportanzug“ spazieren gehe. Die Hasenheide ist bei ihm um die Ecke und in Berlin vor allem als Drogenumschlagplatz bekannt.

Als Lajolo vor zwei Jahren mit der Regierung von Bonn nach Berlin umgezogen ist, wurde für ihn eine neue Residenz in Berlin gebaut. Er konnte sich aussuchen, wo: ob in Zehlendorf oder in Neukölln. Er hat sich für die Lilienthalstraße in Neukölln entschieden. Weil er mittendrin sein wollte und Leute nicht nur auf diplomatischem Parkett kennen lernen mochte. In der Hasenheide stößt Lajolo nun manchmal mit türkischen Großfamilien zusammen. „Es ist etwas Schönes, wenn jemand seine Familie liebt und sie gerne zeigt“, sagt Lajolo. Gestern sei ihm ein Kind vom Fahrrad direkt vor die Füße gefallen. Er hat es aufgehoben und versucht zu trösten. Er habe bei dem gestürzten Jungen getestet, ob er sich verletzt habe. Es sei alles in Ordnung gewesen.

Der Nuntius geht nicht gerne weg aus Berlin. Er schwärmt von den Berliner Philharmonikern und den Museen, die er sogar mit den Vatikanischen vergleicht. Er versteht nicht, warum der Bund nicht mehr Geld für Berlin aufwende, es sei doch schließlich die Hauptstadt, mit der repräsentiert werden müsse. Und mit dem Repräsentieren kennt sich Lajolo aus und weiß, wie viel Sorgfalt man darauf verwenden muss.

Als Nuntius muss er das Einvernehmen der deutschen Katholiken mit der Gesamtkirche gewährleisten und den Papst bei der deutschen Regierung vertreten. Außerdem als Primus inter pares die gemeinsamen Belange der Botschafter beim Auswärtigen Amt zur Sprache bringen. Konkret bedeutet das zum Beispiel jeden zweiten Abend auf Empfänge gehen. „Das ist keine leichte Sache.“ Und wenn es offiziell wird, wie zum Beispiel fürs Foto, steht er ernst und diszipliniert da: würdevoll und unnahbar. Das ist seine Seite für die Gespräche mit den anderen Diplomaten und mit Politikern.

Jetzt auf dem Sofa kommt auch die andere Seite zum Vorschein, vielleicht ist das die italienische. Er gestikuliert viel, dreht am Bischofsring und zieht die Augenbrauen hoch. Weil er nicht versteht, warum Hertha ständig verliert, seine „Mannschaft des Herzens“. Der habe er schon so oft den Daumen gedrückt, genutzt hat es nichts.

Weil sich ein Nuntius nirgendwo einmischen soll, darf er zu vielen Themen nur als Privatmann eine Meinung haben. Und als Herr Lajolo findet er, dass die Deutschen verlangen müssen, dass türkische und arabische Kinder in der Schule Deutsch sprechen und dass die Muslime den Religionsunterricht in den Schulen abhalten, unter staatlicher Aufsicht. Er habe auch versucht, muslimische Geistliche kennen zu lernen. Seit dem 11. September hält er das für sehr wichtig. Aber man wisse nie, mit wem man sprechen soll, welche Richtung jemand vertrete. „Man muss einen Haken haben, um da reinzukommen.“ Er hat ihn nicht gefunden.

Was er über die finanzielle Misere des Berliner Erzbistums und Kardinal Georg Sterzinsky denkt, muss sogar so privat bleiben, dass man es auf keinen Fall drucken darf. Deshalb kann er auch den katholischen Pfarrern und den Gläubigen, die sich in den vergangenen Wochen immer häufiger an ihn wenden, nicht wirklich helfen. Offiziell sagt er: „Der Heilige Stuhl verfolgt die Krise mit Sorge.“ Dabei zieht er die Augenbrauen hoch und fährt sich mit dem Handrücken über die Stirn. Denn die Bedeutung des Berliner Bistum sei wesentlich größer als die Zahl der Katholiken hier. Es strahle in die ganze Welt aus.

Lajolo mag die Berliner mit ihrer „direkten, aber freundlichen Art“. Sie seien nicht so expressiv wie die Italiener oder die Lateinamerikaner. „Aber der Stoff, aus dem die Menschen sind, ist sowieso überall derselbe“, sagt der Nuntius. Keine schlechte Voraussetzung für einen, der bald Außenminister wird.

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