zum Hauptinhalt

Berlin: Absolute Mehrheiten

Ein Besuch in den Berliner Hochburgen der Parteien

Von wegen flaches Land. Die Berliner WählerLandschaft ist eine Gebirgskette – mit Hochburgen und tiefen Tälern. Wo haben die Parteien ihre besten Ergebnisse erzielt, und wo sind sie am tiefsten abgestürzt? Wir haben uns umgeschaut.

Die Hochburg der Linkspartei/PDS. Lange Garagenreihen schlucken den Lärm der Oberspreestraße, die Schöneweide mit der Köpenicker Altstadt verbindet. Und sie verbergen die Autos der Leute, die in den viergeschossigen Reihenhäusern aus den 50er Jahren wohnen – und am Sonntag meist die Linkspartei gewählt haben: 57,3 Prozent. Warum nur? Eine junge Frau mit Hund spaziert den Weg zum Bahnhof entlang. „Nur alte Leute hier“, sagt sie. „Die wählen das, was sie gewohnt sind.“ Das Viertel zwischen der Spree und dem Oberspreer Wäldchen sei angenehm: „Ruhig, wenig Ausländer, und Nachbarschaftshilfe wird noch groß geschrieben.“ Eine alte Frau nickt. „Die Leute hier sind noch der DDR verbunden“, sagt sie. Am S-Bahnhof Oberspree steigen junge Männer aus; sie müssen zur Musterung ins nahe Kreiswehrersatzamt. Von den Garagen her naht ein Einheimischer. „Da hinten war ja die Stasi“, raunt er. „Die Männer haben alle da gearbeitet und die Frauen in der Kaufhalle.“ Jetzt arbeitet nur noch einer in der Kaufhalle, die heute „Ick koof bei Lehmann!“ heißt. obs

Absolute Mehrheit für die SPD: Wenn es in Deutschland eine türkische Gegend gibt, dann ist es Berlin-Kreuzberg. Und wenn diese Gegend ein Zentrum hat, dann ist es das Kottbusser Tor. Hier duftet es aus nach Börek und türkischem Feingebäck. Hier flanieren türkische Familien bis spät in die Nacht. Und: Hier holte die SPD 52,6 Prozent der Stimmen. Warum sind die Sozialdemokraten hier so stark? Zwei Namen nennen die türkischstämmigen Wähler immer wieder: Merkel und Hürriyet. „Wir wollten die Merkel nicht“, sagt Yaman Kaya, der eine Bäckerei in der Adalbertstraße betreibt. Das Nein der Kanzlerkandidatin zum EU-Beitritt der Türkei habe Merkel sämtliche Sympathien gekostet. Ein Kioskbesitzer verweist auf die Tageszeitung Hürriyet. „Die lieben den Schröder.“ Auch die türkischstämmigen Wähler mögen den Kanzler. In einer Umfrage vor der Wahl kam er auf 77 Prozent der Stimmen. hmr

Das braune Walhalla: In Oberschöneweide in Köpenick sieht es trostlos aus. Es gibt kaum ein Haus, an dem nicht „Zu verkaufen“ steht. Die Autowerkstatt „RS2000“ hat geschlossen, genauso wie „A-Dong“, ein asiatischer Supermarkt. Im „Elektrostübchen“ gibt es Fernseher für 30 Euro. „Am Ende des Monats kommen ein paar“, sagt der Verkäufer: „Dann ham’ die ihr Hartz-IV-Geld bekommen.“ In Oberschöneweide hat die NPD die meisten Stimmen in Berlin bekommen: 11,4 Prozent. Die Wahlplakate hängen noch. „Inländerfreundlich“ steht auf einem. Nach der Wende haben hier 20 000 Menschen ihren Job verloren. Der NPD-Slogan „Arbeit nur für Deutsche“ weckte wohl Hoffnungen. Die meisten Leute wiegeln ab, wenn man sie auf die NPD anspricht. „Nazis habe ich hier noch nie gesehen“, sagt eine Apothekerin. hmr

Das bürgerliche Lager. „Unsere Familie hat immer schon CDU gewählt“, sagt ein Rentner in der Schmargendorfer Bernadottestraße. Wirtschaftspolitisch stünden ihm allein die Christdemokraten nahe, früher sei er Unternehmer in der Sanitär- und Heizungsbranche gewesen. In der Gegend westlich des Rosenecks hat die CDU schon oft Rekordergebnisse erzielt. Hier wohnen wohlhabende Geschäftsleute und Ex-Unternehmer in Stadtvillen, am Rand der ruhigen Wohnstraßen parken viele Oberklassewagen. Der Altersdurchschnitt ist relativ hoch. 48,7 Prozent der Zweitstimmen erhielt die CDU im Wahlbezirk 735. Auch die FDP schnitt mit 22 Prozent besonders gut ab, während die SPD gerade einmal 16,1 Prozent der Stimmen bekam. Einige Straßen führen über die Ortsteilgrenze nach Dahlem, das zu den wohlhabendsten Wohngegenden Berlins gehört. Im dortigen Wahlbezirk 603 holte die CDU 41,9 Prozent. Auffälliger ist aber der FDP-Rekord: 31,2 Prozent stimmten hier für die Liberalen. CD

Grünes Paradies: Vier von zehn haben rund um den Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg grün gewählt. Hier, wo die Kinderspielplätze neu aussehen und immer voll sind, genauso wie die vielen Cafés und Bars. Wo die Kneipendichte so hoch ist, und wo so viele gut ausgebildete Zuzügler landen. 42 Prozent haben die Grünen hier bekommen, so viele wie sonst nirgends in der Stadt. Ein Erdrutsch: Bei der letzten Wahl heimsten sie noch jede zweite Zweitstimme ein. mne

Im Tal der Tränen. Die traurigsten Ergebnisse: In Grunewald kam die SPD in einem Bezirk auf nur 13,8 Prozent, für die Linkspartei/PDS stimmten 1,3 Prozent. Rund um das Kottbusser Tor errang die CDU 4,1 Prozent. Die FDP kam in Teilen von Kreuzberg auf 1,4 Prozent. Und die Grünen holten in einer Ecke von Marzahn-Hellersdorf nur 1,2 Prozent. hmr

Ergebnisse für alle Wahlbezirke im Internet (siehe Wahlbezirke):

www.statistik-berlin.de/wahlen/

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false