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Abstieg von Hertha BSC: Olympiastadion? - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren mit Herthas Abstieg in die Zweite Liga schienen die fetten Jahre für das Olympiastadion vorbei. Es sollten Sonderveranstaltungen Löcher in den Kassen füllen. Der Manager träumte schon von Autorennen. Was Ralf Schönball darüber schrieb.

Liegt also darin die wirtschaftliche Zukunft des Olympiastadions im Jahr eins von Herthas Abstieg aus der Ersten Bundesliga? Als Veranstaltungsort der „1. Internationalen Ferienimmobilien-Messe Holiday Home“? Am kommenden Freitag wird sie eröffnet. Preise „ab 1200 Euro“ – für Aussteller wohlgemerkt. Und einen kompletten Messestand gibt es für das Geld. Überbucht ist die Hausschau nicht, der Veranstalter ist aber trotzdem beschwingt: „Über 10 000 Besucher sind unser Ziel“, verkündet er auf seiner Website. Ein späterer Aufstieg in die erste Liga der Haus-Messen wird nicht ausgeschlossen.

Um Fassung ist auch der Chef der Olympiastadion-Gesellschaft Peter von Löbbecke bemüht: Sicher, „emotional sind wir vom Abstieg der Hertha betroffen“. Und wirtschaftlich? Ach was – bis zum Wiederaufstieg der Hertha im kommenden Jahr schließe man die Lücke mit „Sonderveranstaltungen“. Und erntet Spott für kreisligawürdige Auftritte? Löbbecke kontert den Angriff: „Die kleinen Kongresse in den Nebenräumen sind ein wichtiger Faktor für das Stadion.“

Die Hochzeitsmesse, der Ball des Vereins Berliner Kaufleute, Geburtstagsfeiern oder die Vorstellung neuer Opel-Modelle – für alles und jeden ist Platz auf den vier Ebenen an der blauen Tartanbahn. So gesehen müsste man das Olympiastadion in Volks-Stadion umbenennen. Dass dessen Betreiber mit den Kleinveranstaltungen nicht die Lücke schließen, die ein Stadion ohne Einnahmen aus Spielen der Ersten Bundesliga aufreißt, ist aber auch klar. Wie gut, dass das Olympiastadion „multimedial“ ist, wie Löbbecke sagt. Es eignet sich für den bevorstehenden Auftritt der australischen Rockveteranen von AC/DC (22. Juni) genauso wie für das Gender-Gespött von Volks-Entertainer Mario Barth im Juli nächsten Jahres oder für Lauf- und Leichtathletik-Events.

Der 67-jährige Löbbecke, dem ungewöhnliche Ideen schon aus so mancher Not heraushalfen, kann sich im Olympiastadion aber auch Autorennen vorstellen. Er würde gerne die Veranstaltung „Race of Champions“ nach Berlin holen, bei der jedes Jahr im November oder Dezember diverse Top-Rennfahrer auf einer engen, kurvigen Strecke gegeneinander antreten. Im vergangenen Jahr gingen in Peking unter anderen Michael Schumacher und Sebastian Vettel an den Start, auch in Paris und im Londoner Wembley-Stadion fand das Turnier bereits statt.

Mindestens ein, besser zwei Musik-Titanen sollen den Spielplan in der nächsten Saison füllen. Groß müssen sie sein, denn Platz für 50 000 Besucher ist da. Wenn man die Bühne in die Mitte stellt, wie bei einem Auftritt der irischen Rocker U2, passen vielleicht sogar erneut 100 000 ins Olympiastadion.

Beim Senat mag man über drohende Verluste bei der landeseigenen Betreibergesellschaft gar nicht erst spekulieren: „Ja, es wird Mindereinnahmen vom Hauptmieter geben“, sagt Kristina Tschenett. In welcher Höhe, will man nicht verraten, geheim seien die Verträge. Dementieren will man aber auch nicht, dass die Miete für Hertha-Spiele in der Zweiten Bundesliga um 25 000 Euro pro Spieltag sinkt, auf 150 000 Euro. Hinzu kommt die Flaute bei Würstchenbuden und Restaurants – an der „Gastronomie“ ist die Olympiastadion-Gesellschaft selbst auch beteiligt. Über 1500 Menschen arbeiteten bisher an Spieltagen im Stadion – so mancher wird Däumchen drehen, wenn Hertha auf die Spielvereinigung Fürth trifft. Muss Löbbeckes Nachfolger, der im Juni seine Arbeit aufnimmt, als Erstes Personal streichen?

Wer in den 244 Seiten langen aktuellen „Beteiligungsbericht“ des Senats schaut, stellt fest: Im Jahr 2007 schrieb die Olympiastadion-Gesellschaft noch über zwei Millionen Euro Verluste. Die Schuld daran gibt Löbbecke „Altlasten“. Das „operative Geschäft“ der Gesellschaft sei positiv. Doch die fetten Jahre sind vorbei und dick ist die Kapitaldecke nicht. Das räumt auch der scheidende Chef ein. Dann müsse man halt neue „Ideen kreieren“. Wie das wohl erste „Public Viewing“ der deutschen Fußballgeschichte im Jahr 1974. Bei der Weltmeisterschaft war das Spiel der Niederlande gegen Brasilien ausverkauft. Als die Gesänge von 20 000 angereisten Holländern vor dem Dortmunder Stadion lauter und bedrohlicher wurden, schloss Löbbecke die Westfalen-Halle auf, karrte 200 Fernseher heran und richtete ein Bier-Shuttle zur nächsten Brauerei ein. War es das Bier oder der Oranje-Sieg? Die Holländer waren selig, Schlägereien blieben aus.

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren".

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