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Berlin: Abstimmung per Umzugswagen

Wer kann, zieht weg: Was tun, wenn Problemkieze kippen? In Spandau diskutierte die CDU mit Bürgern über Mittel gegen die Ghettoisierung

Von Sabine Beikler

Spandau – ein Problemgebiet? Beim Gedanken daran, dass ausgerechnet ihr Kiez, der bürgerliche Stadtteil im Nordwesten Berlins, eine Brennpunkt-Region sein soll, schütteln die meisten der rund 100 Bürger im Spandauer Ratskeller ihre Köpfe. Dorthin hatte die Spandauer CDU am Sonntagvormittag zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema „Problemkieze in Spandau?“ eingeladen. Kai Wegner, Spandauer CDU-Abgeordneter und Fraktionsvize im Parlament, ärgert sich, dass Rot-Rot „nur wegen der wachsenden Zahl von Kellereinbrüchen in der Wasserstadt Spandau“ ganze Ortsteile zu Problemgebieten hochstilisiert habe. „Ich nehme nicht hin, dass es hier vier Ghettos geben soll“, sagt Wegner mit einem Seitenhieb auf Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Der hat nämlich festgestellt, dass es allein in Spandau vier Krisengebiete gibt. Das ist mehr als in jedem anderen Bezirk.

Mitte Januar legte Körting dem Innenausschuss eine Liste von „problemorientierten Kiezen“ vor. Neun Gegenden in Berlin gibt es, in denen sich die Probleme ballen. Die Menschen dort haben oft nur geringe Schulbildung und deshalb keine Arbeit, viele sind Ausländer. Zu den Problem-Kiezen zählt Körting den Soldiner Kiez in Wedding, den Beusselkiez in Mitte, Neukölln Nord, Schöneberg Nord, den Charlottenburger Kiez und die vier Spandauer „Krisengebiete“: Neustadt, Falkenhagener Feld, Wilhelmstadt und Wasserstadt.

Doch was kann man tatsächlich gegen die Tendenzen in den Problemregionen tun, gegen die dort festgestellte Kriminalitätshäufigkeit, gegen die hohe Zahl von Körperverletzungen, gepaart mit einem hohen Ausländeranteil? Frank Henkel, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, lobt die von Körting vorgelegte Studie als „Arbeitsgrundlage“. Das A und O, die Probleme in den Griff zu bekommen, sei die Integration von Ausländern mit dem verpflichtenden Erlernen der deutschen Sprache. Habe man das früher gefordert, sei einem schnell der Stempel „Rechtspopulist“ aufgedrückt worden. Eine Verpflichtung, deutsch zu lernen, sei als „unangemessener Assimilierungsdruck“ abgetan worden. Und jetzt stehe die Gesellschaft vor den „Trümmern der Integrationspolitik der vergangenen 20 Jahre“.

Deutsch lernen, eine gute Bildung und Ausbildung: Das zählt der CDU-Politiker zur Präventionsarbeit. Kritisch betrachtet Henkel das frühere Gebaren von städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die oft zu wenig oder viel zu spät gegen die „Ballung von Migrantenfamilien“ in einigen Kiezen unternommen hätten. Mieter, die es sich leisten können, würden heutzutage einfach wegziehen, wenn die Quartiere „umgekippt“ sind. „Sie vollziehen die Wahlabstimmung mit dem Möbelwagen“, sagt Henkel.

Gegen die „Verwahrlosung des öffentlichen Raums“ durch Graffiti-Schmierereien oder Vandalismus fordert der Innenpolitiker eine rückhaltlose, schnelle Strafverfolgung und die Einführung bezirklicher Ordnungsämter. Quartiersmanagement zur Verbesserung des Wohnumfeldes sei schön und gut, würde aber besser funktionieren, wenn SPD-Stadtentwicklungssenator Peter Strieder die Verteilung der 18 Millionen Euro pro Jahr den Bezirken überlassen würde.

Ein Patentrezept gegen Problemkieze konnte Henkel ebenso wenig wie der Spandauer CDU-Bezirksbürgermeister Konrad Birkholz aus der Tasche ziehen. Beide gaben zu, dass die Union zu Regierungszeiten in Bund und Ländern „einiges in Sachen Integration verschlafen hat“, so Birkholz.

Mit 19,5 Prozent habe Spandau die vierthöchste Arbeitslosenquote in Berlin. Deshalb müssten Investitionen her, und Investitionen „wie die ursprünglich geplante Siemens-Arena“ dürften nicht verhindert werden, sagte Birkholz. Bei der Jugendarbeit oder im Sportbereich aber zu sparen, das sei für die Arbeit der Bezirke gegen die wachsende Kriminalität das absolut falsche Signal.

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