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Klare Indizien. Im Keller stapeln sich Akten, im Briefkasten die Briefe von Inkassounternehmen, die Polizei meldet sich. Als dem Untermieter Benjamin Hartmann dämmert, dass etwas mit seinem Vermieter nicht stimmt, ist es zu spät. Er muss ausziehen.

© Kai-Uwe Heinrich

Abzocke bei Untervermietung in Kreuzberg: Mann fällt auf kriminellen Vermieter rein

Ein Mann zieht zur Untermiete nach Kreuzberg: 30 Quadratmeter, 600 Euro, der Vermieter ein netter Typ. Stimmt nicht. Er wurde abgezockt. Gegen den Vermieter wird ermittelt. Und die Wohnung ist auch weg.

Natürlich hätte Benjamin Hartmann einen Blick auf die gestapelten Computer im Flur werfen können, bevor er den Mietvertrag unterschrieb. Dann wären ihm vielleicht die Aufkleber der Cottbusser Staatsanwaltschaft aufgefallen. Vielleicht hätte er vor dem Unterschreiben auch einen Blick in die Kellerkammer werfen sollen, in diesen bis unter die Decke mit Aktenordnern und beachtlichen Mengen an Druckerpapier vollgestopften Gitterverschlag. Natürlich, das hätte er alles machen können. Aber warum?

Wenn man die möblierte Wohnung eines anderen zur Untermiete nimmt, dann ist die halt möbliert, und eine ausrangierte Computersammlung ist ja irgendwie auch eine Form von Möblierung, so schlimm jedenfalls nicht. Also unterschreibt Benjamin Hartmann vor ein paar Wochen, Anfang März, einen Untermietvertrag für eine Einzimmerwohnung am Kreuzberger Engelbecken und freut sich.

Sicher, 600 Euro für ein rund 30 Quadratmeter großes Apartment ist nicht gerade günstig, aber Hartmann hat zuvor in Köln gewohnt, da scheint man solche Preise gewohnt zu sein. Außerdem zieht er mit seinem Freund in die Wohnung, da sind 600 Euro schon bezahlbar.

Nach Schweden oder hinter schwedische Gardinen?

Netter Typ, denkt Hartmann über seinen Vermieter Paul N., dessen Wohnungsinserat Hartmann zum Jahreswechsel im Internet gefunden hatte. Für 18 Monate vermietet N. seine Wohnung, weil er ins Ausland gehen will. Wo geht’s denn eigentlich hin, fragt Hartmann, nachdem er unterschrieben hat. Nach Schweden, soll Paul N. gesagt haben, also genauer: hinter schwedische Gardinen. Wie jetzt, fragt Hartmann. In den Knast? Nein, sagt Paul N. heute, da habe sein Untermieter etwas falsch verstanden. Er wechsle lediglich die „berufliche Perspektive“.

Benjamin Hartmann aber ist sich ganz sicher, dass er seinen Vermieter nicht falsch verstanden hat damals, bei ihrem ersten Kennenlernen vor rund drei Wochen. Vielleicht doch nicht so ein netter Typ, denkt Hartmann wenig später über seinen Vermieter, der seine Computer im Flur, seine Aktenordner im Keller und seinen Namen am Briefkasten stehen lässt. Viel Post bekommt der in den nächsten Tagen. Geschätzt zehn Briefe am Tag. Rechnungen, Inkassounternehmen, Polizei – alle wollen irgendwas von Paul N.

Irgendwann ist ein Brief der Berolina mit dabei, jener Wohnungsbaugenossenschaft, der das Haus gehört. Misstrauisch geworden, öffnet Hartmann das Schreiben: Die Berolina schmeißt Paul N. raus, weil er seit drei Monaten keine Miete gezahlt hat. Auszugstermin Ende März.

Einer Untervermietung hätte die Berolina nicht zugestimmt

Hallo, ich bin der Untermieter von Paul N., sagt Hartmann zur Berolina-Frau. Welcher Untermieter, sagt da die Berolina-Frau. Einer Untervermietung hätten sie doch gar nicht zugestimmt, sagt sie, und Hartmann merkt, dass er ein Problem hat. Zwar steht im „Nutzungsvertrag“ zwischen Paul N. und seinem Untermieter, dass Paul N. die schriftliche Zustimmung der Berolina habe, aber das stimmt nicht, wie sich jetzt herausstellt.

Überhaupt stellt sich jetzt so einiges heraus. Zum Beispiel, dass die Miete für die Einzimmerwohnung nicht bei 600 Euro liegt, sondern bei rund 300. Ich hätte für die Wohnung genauso gut 800 Euro verlangen können, sagt Paul N. dem Tagesspiegel, schließlich herrsche in Deutschland Vertragsfreiheit. Was er an die Hausverwaltung zahle, gehe niemanden etwas an. Das gelte im Übrigen ebenso für die 55 Euro, die er Hartmann für einen Ersatzschlüssel in Rechnung stellt, auch wenn Ersatzschlüssel bei der Berolina tatsächlich nur zehn Euro kosten sollen.

Dann droht der Vermieter mit der Polizei

Ein paar Tage nachdem die Berolina Paul N. gekündigt hat, schreibt der einen Brief an seinen Untermieter Hartmann: Er kündigt ihm zum 30. März. Begründung: Die Berolina hat ihm gekündigt. Wenn Hartmann am 30. März nicht ausgezogen ist, dann, so schreibt Paul N., werde er ihn durch die Polizei entfernen lassen. Das sei nämlich Hausfriedensbruch, schreibt N., und verweist auf einen Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch.

Überhaupt verweist Paul N. öfter auf Gesetzestexte und scheint sich in juristischen Fragen recht gut auszukennen. Allerdings kennt auch die Berliner Staatsanwaltschaft Paul N. recht gut, denn es gibt eine Vielzahl an Verfahren gegen ihn. Betrug, Nötigung – so lauten die Vorwürfe gegen den Anfang 20-Jährigen, der sich in mehreren Fällen als Anwalt ausgegeben haben soll und gegen den deshalb wegen Titelmissbrauchs ermittelt wird.

Lauter Vorwürfe, von denen Hartmann nichts wusste, als er den Mietvertrag unterschrieb. In der Wohnung will er nicht bleiben, drei Wochen nach Einzug sucht er jetzt eine neue Wohnung. Und stößt dabei auf ein Problem, das ihm aus seiner Kölner Zeit bisher unbekannt gewesen ist: Für die Wohnungssuche wäre es gut, wenn er eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung vorzeigen könnte.

Ausstellen müsste die ihm sein aktueller Vermieter. Und das ist nicht die Berolina, sondern Paul N. Und der macht momentan nicht den Eindruck, als wolle er seinem Untermieter einen Gefallen tun.

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