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Berlin: Acht-Etagen-Gerüst vom Sturm umgerissen

Drei Tage nach Unglück bei Straßenfest stürzt in Wedding 35-Meter-Koloss um / Karneval: Bezirk müsste prüfen

Von Matthias Oloew

und Werner Schmidt

Wieder ist ein Baugerüst durch eine Windböe umgestürzt. Nach dem schweren Unglück auf dem Straßenfest zum Karneval der Kulturen am Sonntagabend krachte am Mittwoch früh ein achtstöckiges, 35 Meter hohes Baugerüst an der Stralsunder Straße Ecke Brunnenstraße in Wedding um. Es wurde aus der Verankerung gerissen, fiel auf einen Parkplatz und begrub einen BMW-Sportwagen unter sich. Das Auto ist stark beschädigt, verletzt wurde niemand. Das Landeskriminalamt (LKA) ermittelt.

Nach Auffassung des Vorsitzenden der Gerüstbauer-Innung, Helmut Piechocki, war das gut vier Tonnen schwere Gerüst mangelhaft in der Hauswand verankert. Die Gerüstbaufirma wollte sich gestern nicht äußern. Das Haus gehört der DeGeWo, die dort die Wintergärten erneuert. Bereits heute sollen ein neues Gerüst aufgestellt und die Arbeiten fortgesetzt werden, sagte eine Sprecherin.

Unterdessen gehen die Ermittlungen nach dem Unglück vom Sonntag weiter. Am Sonntag war, wie berichtet, das Eingangstor zum Straßenfest der Kulturen umgefallen und hatte drei Menschen lebensgefährlich verletzt. Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz, erklärte am Mittwoch, dass für die Torkonstruktion eine Baugenehmigung hätte beantragt werden müssen. Das sei nicht erfolgt, weshalb das ihm unterstehende Bauaufsichtsamt auch keine Prüfung vorgenommen habe. Das Gerüst ist von derselben Gerüstbaufirma aufgestellt worden, die schon in den Jahren zuvor diese Arbeiten auf dem Karneval der Kulturen erledigte. Auch in den drei Jahren zuvor hätte eine Baunehmigung beantragt werden müssen, sagte Schulz. Das war aber nie der Fall. Und zwar, obwohl der Bezirk selbst die Feier mitveranstaltet. Schulz bekümmert das nicht: „Ich bin diesmal erstmals seit Jahren wieder auf dem Fest gewesen und die zuständige Leiterin des Bauaufsichtsamtes meidet Massenansammlungen.“

Welche finanziellen Konsequenzen auf den Bezirk und die Werkstatt der Kulturen als Veranstalter zukommen, konnte Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer nicht sagen. Ob der Karneval 2004 wieder stattfinden wird, auch nicht: „Wir wünschen uns das.“ Anzeigen der Angehörigen der Opfer gegen die Veranstalter lägen bislang nicht vor.

Bei dem Gerüst-Zusammenbruch in Wedding liegt der Fall einfacher: Der Innungs-Vorsitzende Helmut Piechocki sagte, dass die Halteschrauben samt Dübeln aus der Wand gerissen wurden. Ein Beleg, dass die Löcher an den falschen Stellen gebohrt worden seien. Anker dürften nicht im Bereich von Fensterbrüstungen angelegt werden, weil es dort keinen ausreichenden Halt gibt. Das mit einer Plane verkleidete Gerüst an der Stralsunder Straße hätte mit doppelt soviel Haltepunkten verankert werden müssen, als tatsächlich vorhanden sind, sagte Piechocki. Die Standfestigkeit werde aber weder durch den TÜV noch durch die Bauämter geprüft: „Die haben nicht die Leute, um sie zu kontrollieren.“ Nach Auskunft der Polizei müsse aber der Bauleiter ein so genanntes Ankerprotokoll erstellen. Dieser Prüfbericht stellt aber nur fest, dass das Gerüst nach einer bestimmten DIN-Norm errichtet wurde.

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