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Adel berichtet (10): Tegeler Autonome

Stefan Stuckmann erzählt, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Als am Montag die Jobs für die Berichterstattung zu den 1.-Mai-Krawallen verteilt wurden, hat mein Chef mich vor versammelter Redaktion nach vorne gerufen und mir die alleinige Verantwortung für Tegel übertragen. Er hätte da so einen Tipp bekommen, und den anderen Praktikanten würde er die Sache noch nicht zutrauen. Dummerweise ist der Chef aber wohl einer Nebelkerze der Autonomen aufgesessen, denn in den 24 Stunden, die ich am Platz Alt-Tegel bei Kaffee und Käsekuchen ausgeharrt habe, flog nur ein einziger Stein – und der zählt nicht richtig, weil mein Bayerntrikot für diesen sechsjährigen Junior-Herthaner natürlich wie ein Schlag ins Gesicht gewirkt haben muss. Da will man sich einmal volksnah geben – und dann so was!

Am Tag danach in der Redaktion wurde es dann richtig merkwürdig: Ständig haben die Kollegen gekichert – aber immer, wenn ich mich dazugestellt habe, war es sofort vorbei. Taxi, mein treuer Jungdackel, war auch ganz aufgescheucht. In der Konferenz hat er sich in die Mitte des Raums gestellt und alle wütend angeknurrt. Als dann noch jeder von mir wissen wollte, wie ich zum Plagiatsskandal des CDU-Fraktionschefs Florian Graf stehe, wurde es mir zu viel. Nur weil ein anderer Politiker, der zufällig den gleichen Nachnamen trägt wie ich und vielleicht auf meinem 16. Geburtstag mal zwei Stunden AC/DC aufgelegt hat, irgendwann mal wissenschaftlich nicht ganz sauber gearbeitet hat, heißt das noch lange nicht, dass ich so etwas jetzt gutheiße!

Um dem Redaktionstrott zu entfliehen, bin ich dann per Taxi zum neuen Großflughafen Berlin-Brandenburg gefahren, um zu überprüfen, wie weit die Bauarbeiten wirklich hinter dem Zeitplan liegen. Verkleidet als Test-Tourist für die Probe der Betriebsabläufe will ich mir Zugang zur Abflughalle verschaffen, doch schon am Eingang stoße ich auf Probleme: Meine mitgebrachte Luis-Vuitton-Kleiderkiste soll ich gegen ein hellblaues Monstrum aus Plastik tauschen. Als ich Taxi dann aus dem weichen Leder hinüber in den Plastikkoffer heben will, um ihn unauffällig in die Halle zu schmuggeln, gerät er in Panik, reißt sich los und versteckt sich so tief in der Gepäckförderanlage, dass diese komplett demontiert werden muss. Als ich ihn fünf Stunden später mit einem Buttercroissant aus der dunklen Nische unter dem Förderband locke, sieht er völlig verstört aus. Ich glaube, er denkt an den 3. Juni. Wenn der Flughafen bis dahin nicht fertig wird, bin ich daran sicher auch noch schuld ...

Hochachtungsvoll

Ihr

Cedric

Stefan Stuckmann

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